David
Gray ist eine der größten Überraschungen der letzten
Monate gelungen. Sein aktuelles Album "White ladder" erhielt
durchweg überragende Kritiken - und wir wollen dem vielfältigen
Lob keinesfalls widersprechen.
Seine
ruhigen Balladen, bei deren instrumenteller Begleitung akustische
Gitarren die Hauptrolle spielen, klingen vertraut, einerseits altmodisch
und andererseits auch wieder nicht. Seine charakteristische Stimme,
anzusiedeln irgendwo zwischen dem jungen Rod Stewart, Bob Dylan und
Marla Glen, hat hohen Wiedererkennungswert.
Ruhig
und etwas rau erzählt Gray Geschichten über die Liebe und
das Leben in einer schlichten poetischen Schönheit, wie sie lange
niemandem mehr gelungen ist. Und wann hat es seit John Lennons "Jealous
guy" in der Version von Brian Ferry jemand wieder gewagt, zur
eigenen Musik zu pfeifen, ohne sich vollends lächerlich
zu machen ?
Nach
dem Hören des Albums werde man sich besser fühlen, prognostizierte
die Musikkritik. Das stimmt. Sehr viel besser sogar. David Gray gibt
seinen einfühlsamen Liedern Zeit und Raum, ergänzt hier
und dort ein paar Breakbeats, arrangiert unerwartete Instrumentierungen,
zwar leise und besonnen, aber stets mit dem gewünschten Ergebnis.
Alles ist auf das Wesentliche konzentriert, und wie nur den ganz Großen
der Branche, etwa Chet Baker, gelingt ihm trotz - bzw. wegen minimalistischer
Arrangements ein Höchstmaß an emotionaler Dichte.
Und
so gleitet man dahin auf einer Woge melancholischer Empfindungen,
ohne jemals Gefahr zu laufen, ins Depressive abzugleiten. Mit David
Gray gibt es noch Hoffnung, das spürt man deutlich und bezieht
den Gedanken sowohl auf sich selbst, als auch auf ihn und auf die
Betrachtung des Musikmarkts im allgemeinen. So müssen Balladen
klingen ...
Besonders
spannend ist der letzte Titel des Albums, einer Adaption des Hits
von Almond/Ball (Soft Cell) "Say hello wave goodbye". Gray
befreit das Lied von allem melodramatischen Ballast, der zum theatralischen
Auftritt von Soft Cell gehörte, und legt die wunderschöne
Seele der Melodie in seiner knapp neunminütigen Version bloß.
Man versinkt geradezu in der Musik, das Original ist kaum noch erkennbar,
so sehr hat er es sich zu eigen gemacht.
Eine
große Entdeckung !
©
Michael Frost / 10.03.2001