Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Ins rechte Licht gerückt


Es ist die erste Liga der internationalen Pop/Rock-Szene, die sich auf "Kissin time", dem neuen Album von Marianne Faithfull die Ehre gibt - und sich dabei bescheiden im Hintergrund hält, um einer der schillerndsten Figuren im Rockgeschäft zu huldigen.

Wer ein Duett-Album erwartete, sieht sich getäuscht - vielleicht enttäuscht, aber dennoch: Die versammelte Prominenz wurde als Co-Autor einzelner Songs engagiert. Allein drei Lieder stammen aus der Feder von Beck, darunter auch die erste Single-Auskopplung "Sex with strangers". Neben ihm sind an "Kissin time" u.a. Billy Corgan (Ex-Smashing Pumpkins), Billy Corgan, Dave Stewart (Eurythmics), der französische Chanson-Star Etienne Daho, Jarvis Cocker (Pulp) und - unverkennbar - Blur beteiligt. Insbesondere deren Handschrift ist im Titelsong deutlich herauszuhören, wobei es Marianne Faithfull überzeugend gelingt, den eh schon starken Titel mit ausdrucksstarker Stimme nochmals zu "veredeln".

Überhaupt, die Stimme
: Eigentlich hat sie ja gar keine, und ob die Faithfull überhaupt singen kann, bleibt unklar. Ella Fitzgerald soll einmal gesagt haben, sie kenne niemanden, der mit so wenig Stimme so großartig singen könne. Sie soll damit zwar Hildegard Knef gemeint haben, aber auf Marianne Faithfull passt diese Zuschreibung ungleich besser.

Ihr sind die Höhen und Tiefen ihrer wilden Karriere, die sie 1964 im zarten Alber von 17 Jahren begann, als sie auf einer Party Mick Jagger vorgestellt wurde, in jeder Zeile anzumerken. Jagger und Keith Richards schrieben ihr jedenfalls kurz darauf den ersten Top-10-Hit ("As tears go by").

Künftig beschäftigte Marianne Faithfull Charts und Klatschspalten gleichermaßen.
Später sagte sie über die exzessiven Phasen ihres Lebens, sie würde alles genauso noch einmal machen, mit Ausnahme des Heroins.

Ein Wunder, dass sie die Sucht überwand. 1979 kehrte sie mit dem Album "Broken English" erstarkt zurück. Auf der Platte war einer ihrer wohl erfolgreichsten Hits: "The ballad of Lucy Jordan". Daraufhin folgten Coverversionen von Kurt Weill-Kompositionen ("20th century blues"), und erst im vergangenen Jahr sah man sie auch wieder auf der Leinwand, in Patrice Chereaus preisgekröntem Streifen "Intimacy".

Diesem vielschichtigen Charakter zollen die beteiligten Musiker und Bands mit ihren Kompositionen für "Kissin time" ihren Tribut. Ihr gewohnt tiefgründiger Gesang, die dunkle Färbung ihrer Stimme und der melancholische Unterton der Arrangements bilden den Rahmen einer ambitionierten Produktion, die einmal mehr die musikalischen Qualitäten von Marianne Faithfull ins rechte Licht rückt.

 

Michael Frost, 02. März 2002

Tipps zu ähnlichen CDs und Bands:

Blur, Pulp, Eurythmics, Nick Cave

[Archiv] [Up]