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Stop the world !


Woran liegt es, dass "Peace", das Comeback-Album von Annie Lennox und Dave Stewart nach langjähriger Trennung, ein so großer Erfolg werden konnte ?

Natürlich hat das Duo immer noch zahlreiche Fans. Zudem sorgten die Solo-Projekte der beiden dafür, dass sie nicht in Vergessenheit geraten konnten. Trotzdem, es ist mehr als nur Treue oder Nostalgie, die man beim Hören von "Peace" spürt.

An der Musik liegt das nur zum Teil. "I saved the world today" ist zwar ein sanfter und beschwörender Ohrwurm, "Peace is just a word" dagegen eine perfekt arrangierte Hymne, die unter die Haut geht, und schließlich nähern sich die Eurythmics in "Forever" der die Beatles covernden Britpop-Fraktion um Oasis - und machen ihnen vor, wie das richtig geht.

Aber das ist nicht alles, zumal: Wirklich neue Musik haben Lennox & Stewart nicht zu bieten. Die meisten anderen Lieder sind eher beliebig und verlassen das Ohr ähnlich schnell, wie sie hineingekommen sind. Was also macht die Qualität der Eurythmics heute aus ?

Es liegt an den Texten !

Traf in den 80ern noch ihr wave-beeinflusster Synthie-Pop den Nerv der Zeit, so sind es heute die Texte, die den Fans von einst aus der Seele sprechen. Gemeinsam mit ihnen sind auch Annie & Dave älter geworden und hegen den ironischen Wunsch, noch einmal 17 zu sein ("17 again").

Denn anders als in der Aufbruchstimmung der 80er, als man auf den Straßen für genau definierte Ziele zwischen der Rettung der Umwelt, der Abschaltung der Atomkraftwerke oder der Beseitigung von Hunger, Elend und Rüstung demonstrierte, haben sich die Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen zu Beginn des neuen Jahrtausends individualisiert.

Für die Probleme von heute gibt es heute entweder gar keine Lösungen oder aber zwanzig verschiedene, darunter aber nicht die eine, richtige - das Leben ist kompliziert geworden.

Globalisierung, Informationsflut und die verwirrende Unübersichtlichkeit von Zusammenhängen lassen den Einzelnen resignieren. "Stop the world", singt Annie Lennox dazu, und erleichtert stimmt man ihr zu; das ist genau, was wir eigentlich wollen: "Stop the world, turn out the sun, I'm so tired of it turning round ...", wenigstens nur für einen Moment ! Alles an- und innehalten, denn: "Living here is more than I can bear ..."

Natürlich bieten auch die Eurythmics keine Lösungen an. Aber sie bieten sich an, indem sie das Empfinden ihrer Fans in Worte fassen, und hier liegt vielleicht die Stärke von "Peace". Die Sehnsüchte von einst haben wir nicht aufgegeben, hängen den Träumen von damals diffus nach, weil es uns verrückt macht, dass die Pazifisten von einst heute ihren Frieden mit der Armee machen und diese in den Krieg nach Jugoslawien schickt - und dass wir nicht wirklich dagegen sind, weil wir auch keine andere Lösung wissen.

Die Generation der Eurythmics-Fans ist die Katastrophenmeldungen ebenso leid wie das Unvermögen, die immer umfassenderen Probleme überhaupt nur zu begreifen - geschweige denn sie zu lösen, und man wünscht sich im Grunde die klaren Positionen von früher zurück, als die Welt zwar in zwei Blöcken geordnet - aber immerhin geordnet - war, als man am Abend nach der Rückkehr von der Friedens-Demo zufrieden glauben konnte: "Hey hey, I saved the world today".

MF / 23. September 2000

 

P.S. Album und Tour waren gedacht, um Geld für die Arbeit von Greenpeace und amnesty international zu sammeln. Genauere Informationen gibt es auf deren Internet-Seiten, auf der Peacetour-Seite der Eurythmics, und auch in den zahlreichen Ortsgruppen der beiden Organisationen in Ihrer Region !

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