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Der Zu-Hörer


Wim Wenders als Porträt eines Musik-Magazins ? Warum nicht, wenn man bedenkt, welch wichtige Rolle die Musik in den meisten seiner Films spielt, auch wenn nicht überliefert ist, ob er selbst ein guter Sänger ist - in jedem Fall ist er ein guter Zuhörer ...

"Buena Vista Social Club", sein preisgekrönter Dokumentarfilm über die musikalische Tradition Kubas, ist das offensichtlichste Beispiel für die Bedeutung der Musik in Wenders' Arbeit, aber nicht das einzige. Ry Cooder, der Wenders mit den kubanischen Alt-Stars zusammenbrachte, hatte schon vorher für Wenders' Filme komponiert und eingespielt, unvergessen seine Slide-Gitarre in "Paris Texas", einem der größten internationalen Erfolge von Wim Wenders, in dem Harry Dean Stanton und Nastassja Kinski die Hauptrollen spielten.

Als Wim Wenders eingeladen wurde, anlässlich der in Lissabon stattfindenen Weltausstellung einen Film über die portugiesische Hauptstadt zu drehen, da ließ er seine Bilder durch die nicht minder bildgewaltige Musik der Folklore-Gruppe Madredeus unterstützen, die daraufhin auf internationalen Bühnen einen ähnlichen Karriereschub erfuhren wie später die Kubaner um Ruben Gonzales, Ibrahim Ferrer und Omara Portuondo.

Gleichsam bekannt ist Wenders' langjährige Freundschaft und Zusammenarbeit mit U2 und deren Frontmann Bono. Wenders drehte den Video-Clip zu U2s Cole-Porter-Remake "Night and day" für das AIDS-Benefiz-Projekt "Red Hot + Blue", U2 wiederum schrieben "Far away so close" (veröffentlicht auf "Zooropa") für Wenders' Film "In weiter Ferne so nah" (1993), in dem außerdem Laurie Anderson, Jane Siberry, Simon Bonney, Lou Reed, Herbert Grönemeyer, Johnny Cash, The House of Love und Nick Cave zu hören sind.

Bereits auf dem Soundtrack zu "Until the end of the world" von 1991 vereinigte Wim Wenders eine imposante Zahl internationaler Mega-Stars: U2, Talking Heads, Lou Reed, T-Bone Burnett, Peter Gabriel, Can, Elvis Costello, Crime and the City Solution, Robbie Robertson and Blue Nile, Patti Smith and Fred Smith, R.E.M., Depeche Mode, Daniel Lanois, Neneh Cherry, Nick Cave and the Bad Seeds, Jane Siberry & K.D. Lang.

Das jüngste Projekt von Wim Wenders und Bono ist "The Million Dollar Hotel" - Film von Wenders, Musik von Bono. Auch wenn man dem Film, wie so oft bei Wenders und meistens zu Unrecht nachsagt, er sei gefloppt, so stellt das den Ruf Wenders' als Filmregisseur mit einem sensiblen und kosmopolitischen Gespür für musikalische Strömungen keinesfalls in Frage.

Dabei stand die Film-Karriere bei Wenders lange Zeit gar nicht fest. Medizin und Philosophie waren seine Studienfächer Mitte der 60er Jahre, bevor er 1996 nach Paris zog, um sich dort zunächst der Malerei zu widmen. Ein Jahr später kehrte er aber schon wieder zurück und begann an der Hochschule für Fernsehen und Film in Düsseldorf ein Studium, das er 1971 mit der Verfilmung von "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", einem Buch von Peter Handke, abschloss.

Die erste große internationale Produktion beendete er 1977. "Der amerikanische Freund" mit Dennis Hopper, nach einer Roman-Vorlage der Krimi-Autorin Patricia Highsmith, stieß auf große Aufmerksamkeit und führte in die USA, wo er "Lightning over water" und "The state of things" (Goldener Löwe bei den Filmfestspielen von Venedig 1982) drehte. 1984 wurde Wenders Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Der damals noch geteilten Stadt setzte er 1987 mit "Der Himmel über Berlin" ein Denkmal, für das er mit der Goldenen Palme der Filmfestspiele von Cannes ausgezeichnet wurde.

Musik spielt in den meisten seiner Filme eine herausragende Rolle. Neben seinem "Haus-Komponisten" Jürgen Knieper, der ihn seit dem Beginn seiner Karriere musikalisch begleitet, wählte Wenders seine Filmmusiken immer wieder sorgfäligst aus und gewährte ihnen in seinen Filmen einen über die bloße "Untermalung" deutlich hinausgehenden Raum, bishin zum Konzert-Film ("Willie Nelson at The Teatro"). Als Filmemacher hat er nicht nur einen geschärften Blick für das richtige Bild, er besitzt auch die seltene Fähigkeit, Gesehenes und Gehörtes miteinander zu verknüpfen und sich gegenseitig verstärken zu lassen.

Er würde gern mal einen Film nach den "Dogma"-Regeln (keine künstliche Beleuchtung, keine Nachvertonung, keine ortsfremden Requisiten usw.) drehen, sagte er im Herbst 2000 im Rahmen eines von ARTE ausgestrahlten Videoprojekts, an dem er mit dem "Meister" der Dogma-Filme, dem Dänen Lars von Trier ("Dancer in the dark", "Idioter", "Breaking the waves") teilnahm. Das aber wird ihm schwerlich gelingen. Paragraph 2 der Dogma-Regeln verbietet nämlich die unabhängig von den Bildern produzierte Filmmusik.

Vielleicht deshalb hat er sich zunächst noch einmal an eine Musik-Doku gewagt: "Vill passiert - der BAP-Film" porträtiert die 25-jährige Erfolgsgeschichte der Kölner Rockband um Wolfgang Niedecken. Der Streifen wurde auf der Berlinale 2002 uraufgeführt.


Michael Frost, Januar 2001
update: Februar 2002

 

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