Sie
ist der schillernde Star am Pop-Himmel zwischen Orient und Okzident:
Natacha Atlas. Als Tochter einer aus Ägypten stammenden Familie
wurde sie in Brüssel geboren. In Kairo aber suchte sie immer wieder
ihre kulturellen Wurzeln - und die Verbindung zu ihrer europäischen
Heimat.
Vier
Alben hat sie in den letzten Jahren veröffentlicht, die allesamt
ihre herausragenden Fähigkeiten und ihr Gespür für
elektrisierende Verbindungen von Rhythmen europäischer und nordafrikanischer
Herkunft unter Beweis stellen. Was Sänger wie Khaled und Cheb
Mami für den Rai, das ist ohne Zweifel Natacha Atlas für
den "Shaabi", die Popmusik Ägyptens, die dem Rai zwar
verwandt ist, daneben aber sehr viele Elemente traditionell arabischer
Musik enthält, die wir wohl am ehesten mit Bauchtanz in Verbindung
bringen würden.
Aber
genauso wie Khaled und Cheb Mami steht auch Natacha Atlas für
eine neue Generation multi-kultureller Musiker, die es nicht bei der
Interpretation traditioneller Rhythmen belassen, sondern sie mit anderen
Sounds mischen. Natacha Atlas hat sich auf ihrem aktuellen Album "Ayeshteni"
wiederum dafür entschieden, Drums'n'Bass-Elemente in ihre Titel
einzubauen, und auf keinem ihrer vorherigen Alben ist ihr das so überragend
gelungen wie eben auf "Ayeshteni".
Die
Platte ist eine Offenbarung. So selbstsicher, überzeugend und
mitreißend ist das Erlebnis, dass es eine wirkliche und absolute
Bereicherung sowohl der nordafrikanischen als auch der westeuropäischen
Musikszene darstellen dürfte. Schon der Opener "Shubra"
ist großartig und bestens für den Dancefloor geeignet,
doch geradezu hypnotisierend wirkt das psychedelische "I put
a spell on you" mit einem treibenden Rhythmus, der niemanden
ruhig auf seinem Platz sitzen bleiben lassen wird.
"Ayeshteni"
bietet Perlen ihrer Sangeskunst im Überfluss. Für den Puristen
sicher gewöhnungsbedürftig, insgesamt jedoch verblüffend
überzeugend ist auch ihre Version des berühmten Jacques
Brel-Titels "Ne me quitte pas", das sie wie selbstverständlich
in einen Shaabi verwandelt, wenn auch in einen französisch gesungenen.
Doch die Sprache liegt ihr: "Mon ami la rose", Single-Auskopplung
ihres vorherigen Albums "Gedida" wurde ein Charterfolg in
Frankreich, Belgien, Spanien und Italien.
Ihr
Spiel mit den Kulturen, ausgedrückt schon durch das Cover-Foto,
das sie als tradtionelle Bauchtänzerin porträtiert, dazu
der deutliche Kontrast der hämmernden Beats, Samples und Scratches
machen den betörenden Reiz der Natacha Atlas aus, dem man sich
nur schwerlich entziehen kann - wenn überhaupt !
Michael
Frost / 01.12.2001