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Gesungene
Selbsttherapie


Tori Amos hat, ähnlich vielleicht wie Sinéad O'Connor, ein Problem: den falschen Hit gehabt zu haben. Ihr "Cornflake Girl" machte Tori Amos auf einen Schlag weltberühmt, stempelte sie aber gleich darauf zum One-Hit-Wonder, weil sie nicht willens war, sich stilistisch festlegen zu lassen und weil sie sich nicht weiter auf die Art Pop einlassen mochte, die ihr mit "Cornflake Girl" noch gelungen war, ohne den ihr eigenen roten Faden zu verlieren. Denn eines ist klar: Der Antrieb einer Tori Amos ist nicht der, einen Hit landen zu wollen. Sie ist eine Überzeugungstäterin, bzw. -musikerin, mit dem Hang zur Bessenheit.

Natürlich ist die US-Amerikanerin trotzdem ein Star mit hohen Platten-Umsätzen, vor allem übrigens in Europa, denn ihre Musik ist mit kaum einer gängigen amerikanischen Musikrichtung vergleichbar, dafür schon eher mit der bereits erwähnten Sinéad O'Connor, mehr noch aber füllt sie Lücke, die Kate Bush durch ihren (vorübergehenden ?) Rückzug aus dem Musikgeschäft hinterlassen hat.

Die musikalische Verwandtschaft der beiden Frauen kann nicht überhört werden, am wenigsten auf "Boys for Pele", Amos' bislang mit Abstand bester Platte. In insgesamt 18 Titeln entführt sie den Hörer in die bizarre Welt ihrer Emotionen und Obsessionen, ständig umspielt von den Klängen ihres Flügels, mit dem sie eine fast erotische Verbindung einzugehen scheint - gemeinsam schreien sie und toben sie, ebenso aber wimmern sie und flüstern sie gemeinsam - und legen den Blick frei in ihre Seelen (ja, auch das Klavier !) - und doch liegt gerade in der offengelegten Verwundbarkeit die psychische Kraft Amos' Kompositionen.

Auf der Reise durch unterschiedlichste Klänge, Rhythmen und Geschichten befreit sich die Amos besessen von bösen Geistern, stöhnend, keuchend und seufzend befreit sie aber auch ihre Hörer von deren Ängsten.

Dieses Album ist gesungene - oder gehörte Selbsttherapie: Und wer es aushalten kann, sich Tori Amos zu öffnen, dem öffnen sich auch die "Boys for Pele".

MF / 23. September 2000

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