Fast
auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass die norwegische Band "a-ha"
im Zuge der akut grassierenden 80er-Jahre-Revival-Welle ihr wohlvorbereitetes
Comeback wagte. "Minor Earth, Major Sky" hieß die Platte,
die in der Woche nach ihrer Veröffentlichung direkt auf Platz 1
der Deutschen Charts schoss und die den Auftakt zu einer vielbeachteten
Live-Tour bildete. Die Operation "Comeback" wurde als erfolgreich
abgeschlossen betrachtet, was aber in Kritikerkreisen einvernehmlich
mehr der Qualität der überlegt durchgeführten PR als
der des Comeback-Albums zugeschrieben wurde, - dessen lieblos und überladen
klingende Produktion besonders in der Kritik stand.
Zwei
Jahre später stehen a-ha nun in den Startlöchern zu beweisen,
dass sie aus den Kritiken gelernt haben und stellten der musikalischen
Journaille ihr neuestes Werk vor, das am 29. April veröffentlicht
werden soll: "Lifelines".
Nachdem die hamburgsche Produktion von "Minor Earth, Major Sky"
nicht nur von der Fachpresse, sondern auch von a-ha selbst kritisiert
wurden, durften sich nun eine ganze Reihe von Produzenten-Teams (darunter
Clive Langer, Alan Winstanley und Ian Caple aus England, Stephen Hague
aus den USA und der als "Naid" bekannte Martin Landqvist
aus Schweden) an den insgesamt 15 Stücken der neuen Scheibe probieren.
In zwei Studios in Oslo, zwei in London sowie je einem in New York
und Malmö entstanden die Tracks, die zusammen ein a-ha-Album
bilden, wie es vorher tatsächlich noch keines gegeben hat.
Dies
liegt aber nicht nur an den diversen Produzenten-Teams, sondern vor
allem an der neuen Rollenverteilung innerhalb der Band. Hatte seit
1985 vor allem Paul Waaktaar-Savoy über 90% der a-ha-Songs entweder
alleine oder in Zusammenarbeit mit Keyboarder Mags Furuholmen komponiert
und getextet, beläuft sich sein musikalischer Einfluss auf dem
neuen Album auf gerade einmal sechs Stücke, bei denen er mehr
als noch auf der Vorgängerscheibe den Stil seiner anderen Band
"Savoy" einfließen ließ. Die restlichen neun
Songs wurden entweder alleine oder in Zusammenarbeit von Mags Furuholmen
und/oder dem Leadsänger Morten Harket entwickelt. All diese Komponenten
hört man dem neuen Album ebenso an, wie den Wunsch der Anfang
der 40 stehenden Musiker endlich und entgültig dem Teenieband-Image
zu entschwinden. - Das hatten sie 1993 zwar auch schon einmal mit
ihrer von David Z produzierten Platte "Memorial Beach" probiert,
diesmal könnten sie es aber tatsächlich schaffen, ohne einen
kommerziellen Einbruch wie in den 90ern zu erleben. Denn die Stücke
auf "Lifelines" sind anders als bei "Memorial Beach"
gängige und moderne Pop-Produktionen geblieben, haben jedoch
mit der "Take on me"-Vergangenheit der drei Norweger kaum
noch etwas zu tun.
Für
all die, die diese Zeiten dennoch hochhalten wollen, erscheint im
Mai eine Live-DVD der Norweger, auf der auch alte Stücke präsentiert
werden. Und in Nordeuropa sorgte unlängst die Ankündigung
einer überarbeiteten Neuauflage des Erstlingalbums "Hunting
High And Low" für Fanfreuden.
a-ha
scheinen also ihren Frieden mit der Vergangenheit geschlossen zu haben,
- ob sie allerdings eine Zukunft besitzen, muss sich erst noch zeigen.
Denn die aufwendige Produktion von "Lifelines" lohnt sich
für alle Beteiligten nur dann, wenn sowohl Chartplatzierungen
wie Tournee ein Erfolg werden. Die Hallen in Europa, inklusive der
Royal Albert-Hall in London sind bereits gebucht und mehr als nur
ein Augenzwinkern scheint das a-ha-Management auch auf den U.S.-Markt
geworfen zu haben, wo den drei Norwegern in jungen Jahren der ganz
große Durchbruch verwehrt blieb. Dies soll sich nun ändern:
Die drei Männer Anfang Vierzig haben sich viel vorgenommen -
und sie blasen zum Angriff.
Die
Songs im Einzelnen:
Lifelines
- Balladen, die einem a-ha-Album ihren Namen geben, hatten schon bei
"Hunting High And Low", "Stay On These Roads",
"East of the Sun West of the Moon" und "Memorial Beach"
außergewöhnliche Qualität. "Lifelines" ist
hier keine Ausnahme. Die als zweite Single-Auskopplung vorgesehene
Hymne an vergangene Tage ist das erste Highlight des Albums und überrascht
mit einem a-ha-untypischen Refrain-Chorus
You
Wanted More -Energiegeladen und mit modernen schnellen Beats kommt
"You wanted more" daher. Ein Urteil, das bei a-ha-Songs
nur selten vorkommt: Tanzbar.
Forever
Not Yours - Die erste Singleveröffentlichung des neuen Albums
ist ein Furuholmen/Harket-Stück und vielleicht der mit Absicht
kommerziell gestaltetste Song von allen. Mit einem eingehenden, schnellen
Klavier-Thema, das aber in den Beats teilweise untergeht, sowie Harkets
berüchtigtem Falsettieren in den ersten Zeilen, soll ein ähnlicher
Chart-Erfolg wie vor zwei Jahren mit "Summer Moved On" erzielt
werden. Ein Unternehmen, das Aussicht auf Erfolg hat.
There's
A Reason For It - Savoy meets a-ha. Ohne einen Credit für
den Song zu kennen, ist der Einfluss von Waaktaar-Savoys anderem Bandprojekt
auf diese Mid-Tempi-Klage an die anonyme Gesellschaft unverkennbar.
Time
And Again - Nach dem Titeltrack kommt hier nun die zweite langsame
Ballade des neuen Albums, die mit einem anspruchslosen, aber nett
zu hörenden Refrain aufwartet.
Did
Anyone Approach You? - Auf der anstehenden "Lifelines"-Tournee
könnte dieser Song der perfekte Turn-Up für die Massen sein.
Fröhlich und mitreißend.
Afternoon
High - Von Musikjournalisten bereits mit dem Potenzial zum Sommerhit
2002 beglaubigt und von der Plattenfirma bewusst in die Nähe
der Beatles gerückt, kann man "Afternoon High" bei
aller Skepsis zumindest eine Eigenschaft nicht absprechen: nett.
Oranges
On Appletrees - Ein schnelles Stück, mit dem a-ha erneut
den neuentdeckten mehrstimmigen Chorus zelebrieren und mit einer für
a-ha eher ungewöhnlichen Zwischeneinlage.
A
Little Bit - Ein bescheiden anmutender Song mit hoher Mitklatsch-Garantie.
Sollte auf der Live-Tour nicht fehlen.
Less
Than Pure - Ähnliche Stücke wie dieses gab es von a-ha
bereits auf ihren Alben "East of the Sun West of the Moon"
und "Memorial Beach". "Less Than Pure" wartet
dazu jedoch mit einem tanzbaren Rhythmus auf.
Turn
The Lights Down - Ebenso wie Pal Waaktaars kreative Vorherrschaft
auf dem neuen Album gebrochen wird, ist auch Harkets Stimme nicht
mehr die einzige. Höhepunkt dieser Entwicklung ist das Duett
mit Anneli Drecker, die schon die "Minor Earth, Major Sky"-Tour
in 2000 stimmkräftig begleitete und in Norwegen ein gefeierter
Star ist. Ob der Song aber auch einen kommerziellen Charakter besitzt,
ist zumindest zweifelhaft.
Cannot
Hide - Ein Song, der vielleicht am besten das moderne "a-ha"
verkörpert: Rockig, Vergleichsweise schnell und erneut tanzbar.
White
Canvas - Enges Zusammenspiel zwischen Instrumenten und Stimme
machen "White Canvas" zu einer nett anzuhörenden Ballade.
Dragonfly
- Dieser Song aus der Feder von Magne Furuholmen wurde von diesem
auch als eigenes Projekt fernab von a-ha gesungen. Dass die Version
mit Morten Harkets Stimme einen wesentlichen Teil von der originalen
Eigenheit verliert, ist Fluch und Segen zugleich.
Solace
- Der letzte Track auf "Lifelines" ist erneut eine Ballade,
die auf eingängige Art das Lieblingsgefühl der drei Norweger
vermittelt: Die Melancholie über die Vergänglichkeit des
Seins.
Fazit:
Das neue Album der einstigen Teenie-Stars, die sich selbst so gerne
als missverstandene Künstler betrachten, weist durch die aufwendige
Produktion und die Änderung in der Hackordnung des Songwritings
tatsächlich eine bisher unerreichte Tiefe auf, die "Lifelines"
zumindest zu einem der besseren a-ha-Alben machen dürfte.
Wertung:
Fünf von Sechs Punkten.
A-Ha Tour-Daten
"A-ha:
Lifelines"
ist eine Gast-Kritik von Mike
Hillenbrand.
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