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Immer gut
für jede Überraschung


U2 sind, neben Bob Geldof, Erfinder der "political correctness" unter den Rockmusikern. Seit Beginn ihrer unvergleichlichen Karriere zu Beginn der 80er Jahre hat die Band immer wieder gesellschaftspolitische Positionen bezogen, ob zum Nordirland-Konflikt, der Situation in der 3. Welt oder zu Ökologie und Rüstung. Immer waren U2 an erster Stelle, wenn die Einmischung von Künstlern gefragt war, und sie waren auch dann vor Ort, wenn sie nicht gefragt worden waren.

Dieses bis heute währende Engagement hat wie gesagt seine Wurzeln in den frühen 80ern und erklärt sich somit zeitgeschichtlich, hat aber natürlich mit der besonderen politischen Situation in der Heimat der Band, der irischen Hauptstadt Dublin zu tun.

U2 begannen als Rockband. Angetrieben vom charismatischen Frontmann Bono, der Experimentierfreude von Soundtüftler The Edge und den bodenständigen, kraftvollen Rock-Einlagen von Larry Mullen und Andy Clayton ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten, obwohl (oder weil ?) ihr pathetischer Sound sich damals deutlich von einer Musikszene abhob, in der die Dominanz des Post-Punk einsetzte, der von jungen Bands wie Depeche Mode und The Cure vertreten wurde.

Die Mischung rustikaler Rockelemente, neuer Ideen und politischer Botschaft verlieh U2 ein Image von besonderer Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit, das sich bis heute erhalten hat, auch wenn sie dafür gelegentlich als "Gutmenschen" verspottet werden, aber nur hinter vorgehaltener Hand und auch nur von Neidern.

Schon 1980 gelangten sie mit ihrer Single "Another day" erstmals in die Charts, und bereits das zweite Album "October" von 1981 bereitete den internationalen Durchbruch selbst in den USA vor, der dann mit der dritten LP "War" kam. Weite Strecken von "War" beziehen sich thematisch auf den Nordirland-Konflikt, so vor allem "Sunday bloody sunday" und "New Year's day".

Alles weitere ist Legende. U2 spielten sich von Erfolg zu Erfolg, bis sie 1987 durch das begeistert aufgenommene Album "The Joshua Tree" endgültig zu den absoluten Top-Acts der Popwelt wurden, die sie heute noch sind.

Gemeinsam mit ihren kongenialen Producern Brian Eno und dem Frankokanadier Daniel Lanois läuteten U2 auf dem Gipfel ihres Erfolgs eine Zäsur ein: Auf "Josua Tree" folgten zwei Alben, die starke Dance- und Electronic-Einflüsse hatten: das 93er Album "Zooropa" noch mehr als "Achtung Baby" von 1991. Mit der nächsten Veröffentlichung, "Pop" von 1996, gingen U2 noch einen Schritt weiter: Schon der Titel verrät den Manifest-Charakter der CD. "Pop" war U2s programmatischer Beitrag zur Musik der 90er Jahre, Dance und Electro wurden um Techno und Trance ergänzt, nicht radikal, aber hörbar.

Die schrittweise Abkehr vom Rock mögen wohl nicht alle Fans mitgehen. Für U2 aber ist die Beschäftigung mit neuen Stilen überlebenswichtig. Keine Band kann über Jahrzehnte an der Spitze der Charts bestehen, wenn sie den einmal gefundenen Sound immer nur reproduziert. Und für ambitionierte Künstler vom Schlage Bonos dürfte "Stillstand" sowieso der schlimmste Vorwurf sein, den man ihm machen kann.

So gerät inzwischen jedes neues U2-Album zum öffentlichen Spektakel. Schon 2000, drei Jahre nach "Pop", war der Medienhype um das neue Album "All that you can't leave behind" beträchtlich und katapultierte das Album geradewegs an die Spitze der Charts.

Ähnliches ist auch nun wieder zu erwarten. Mit "How to dismantle an atomic bomb" ließen sich die Iren fast unendlich viel Zeit - vier Jahre seit dem letzten Album -, und erneut ist die geschickt geschürte Erwartung hoch. U2 sind nicht nur Meister der Verknüpfung von Politik und Musik, sondern sie beherrschen auch die Gesetze des Marktes wie kaum eine zweite Band. So sorgte geschicktes Marketing bereits im Vorfeld für einen Grad an Aufmerksamkeit, wie er höchstens einem neuen Album von Michael Jackson oder Madonna zuteil würde. Durch ihre einträgliche Werbekooperation mit dem Apple-Konzern und der zeitgleichen Veröffentlichung des "Band-Aid"-Revivals wurde die Medienpräsenz nochmals vervielfacht.

Ihren Neidern liefern sie dadurch neues Futter. Doch U2 können dem gelassen entgegensehen, jedenfalls so lange die Qualität ihrer Aufnahmen nicht angreifbar ist. Wodurch die Spannung noch einmal gesteigert wird ...

 

© Michael Frost / 10. Oktober 2000
update: 15.11.2004

 


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