Als
Morten Harket, Magne Furuholmen und Paul Waaktaar-Savoy 2000 nach jahrelanger
Trennung mit einem neuen Album aus den Weiten der norwegischen Bergwelt
auftauchten, war die Überraschung groß. Offenkundig war A-ha,
das Pop-Trio, das in den 80ern einen Charthit nach dem anderen hatte,
überhaupt nicht gealtert. Sänger Morten Harket, dem Kritiker
schon mal "opernhaften Kraft" bei gleichzeitiger "chorknabengleicher
Reinheit" bescheinigen, glänzt noch immer als der charmante
Junge aus dem Norden, dessen Poster früher jedes Mädchenzimmer
zierte.
Und
auch musikalisch hatten sich das Trio die jungendliche Frische erhalten.
Ergebnis: "Minor Earth, Major Sky", das Album zum Comeback,
wurde dem Vernehmen nach zum erfolgreichsten A-ha-Album überhaupt.
Und auch "Lifelines", das im vergangenen Jahr erschien,
toppte die Charts. A-ha dürfte dabei das seltene Kunststück
gelungen sein, nicht nur ihre "alten" Fans aus den 80ern
für den "zweiten Teil" ihrer Karriere zu begeistern,
sondern auch neue Anhänger zu gewinnen, die ihre Art des Mainstream-Pop
damals eher misstrauisch beäugt hatten - oder noch gar nicht
geboren waren.
A-ha-Konzerte
sind deshalb inzwischen ein Generationen übergreifendes Vergnügen
für die ganze Familie, wie während der ausgedehnten "Lifelines"-Tour
deutlich wurde, deren Höhepunkte nun auf einem Live-Album festgehalten
wurden. "How can I sleep with your voice in my head" lautet
der Titel, eine Frage, die sich schon unzählige Fans nach einem
Auftritt von Morten Harket gestellt haben dürften. Der Titel
wurde dem Text des Songs "The Swing of Things" (vom 86er
Album "Scoundrel Days") entlehnt.
Aufgenommen
wurden die zwanzig Titel bei Konzerten in Zürich, Leipzig, Paris,
Amsterdam und London. Begleitet von Annelie Drecker (Gesang), Per
Lindvall (Schlagzeug), Sven Lindvall (Bass) und Christer Karlsson
(Keyboards) präsentierten die drei Norweger praktisch alle großen
Hits ihrer Karriere, angefangen von ihrer Debüt-Single, dem unvergessenen
"Take on me" über das epische "Summer moved on"
bis zum Titelsong ihres bislang letzten Studioalbums "Lifelines".
So können alte und neue A-ha-Songs - erstmals auf CD - direkt
miteinander verglichen und abgewogen werden.
Irgendwie beruhigend ist dabei die Feststellung, dass die Band vielleicht
nicht gealtert, dafür aber merklich gereift ist: Viele der neueren
Kompositionen klingen insgesamt vielschichtiger und atmosphärischer
als einige der älteren Titel. "Did
anyone approach you" oder "Oranges on Appletrees" gelten
(vielleicht zu Unrecht) nur bedingt als single-tauglich, erfüllen
aber höchste Ansprüche, die man an die aktuelle Popmusik
stellen kann. Entsprechend schrieb beispielsweise ein Rezensent des
britischen "Independent", er fühle sich beim Hören
von A-ha an "selige Zeiten erinnert, als Popmusik noch nicht
grundsätzlich dämlich war."
Aber
auch Songs wie "Living Daylights", das in der Live-Fassung
schrittweise in einen bebenden Reggae-Beat überführt wird,
um schließlich als ausgelassene Powerpop-Nummer zu enden, oder
"Hunting high and low" überzeugen durch zeitlose Qualitäten,
während "Take on me" mit seinen Synthiepop-Anleihen
eindeutig in den 80ern verwurzelt bleibt.
Das
erstaunliche Fazit: Die meisten neuen Lieder sind besser als die meisten
alten, und im Gegensatz zu vielen anderen Band-Reunions, die lediglich
der etwas unheimlichen Beschwörung unwiederbringlicher Zeiten
dienen, hat A-ha deshalb auch in der aktuellen Popszene einen festen
- und verdienten Platz.
Insofern
bietet das im PC abzuspielende Video-Tourbuch, mit dem die Doppel-CD
abschließt, Anlass zur Hoffnung. Statt eines Abspanns steht
dort nämlich: "To be continued".
©
Michael Frost, 20. März 2003