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Celebrating
Randy Newman
von Hans Happel


Sie ist eine Soul-Sister - mit ihrer dunklen, aufgerauhten und warmen Stimme singt sie "Come closer", ein Liebeslied, direkt und offen ("Let me touch your lips"), aber musikalisch zurückhaltend und so vorsichtig fragend wie die Fragen in dem von ihr geschriebenen Text: "Can I win your heart? Can you handle mine?"

Sie heißt Anna Lauvergnac und ist seit langem Sängerin des Vienna Art Orchestra. Ihre Partnerin auf der CD "Come closer" ist die Pianistin Julia Hülsmann, die vor einem Jahr mit ihrem Trio gemeinsam mit der norwegischen Sängerin Rebekka Bakken das vielbeachtete "Scattering Poems" aufgenommen hat.

Julia Hülsmann und Anna Lauvergnac gratulieren mit ihrem Album einem "genialen Querkopf" (Frankfurter Rundschau) unter den großen amerikanischen Songwritern nachträglich zum Geburtstag. Im November 2003 wurde Randy Newman 60. "Celebrating Randy Newman" nennen die beiden - mindestens eine Generation jüngeren - Frauen ihre Hommage.

"Come closer" ist eine ungewöhnlich gelungene, ja, eine ergreifende Ehrung, denn die beiden Jazz-Ladies und Julia Hülmanns Trio-Sidemen (Marc Muellbauer, Bass, und Heinrich Köbberling, drums) verwandeln elf klassische Newman-Songs in etwas ganz Eigenes, ohne ihnen Gewalt anzutun. Sie kleiden sie neu ein, sie tauchen sie in die Pathina des Modern Jazz, geben einen kräftigen Schuß Blues dazu und rühren Rock-Rhythmen darunter. Sie geben ihnen dabei auf neue Weise die alte Kraft zurück.

Julia Hülsmann, die Newmans Songs als Klavier spielendes Kind kennen gelernt hat, nimmt die einfachen und gefährlich ohrwürmigen Melodien auf, um mit ihnen fast minimalistisch zu improvisieren. Ihr Solospiel ist niemals ornamental, es wirkt wie aufgeladen mit dem bissigen Witz der Texte. Randy Newman, so das "Pop-Lexikon", "brachte in seinen Balladen die Frustrationen, Traumata und trostlosen Realitäten des amerikanischen Mittelstands mit einer dermaßen präzisen Bösartigkeit zur Sprache, dass nicht wenige Kritiker in ihm den Mark Twain des populären Liedes zu erkennen glaubten."

Von Anti-Helden handeln die meisten seiner "schockierend amoralischen Songs" ("Rolling Stone"), zu deren vermeintlichem Sprachrohr sich der Sänger-Komponist gemacht hat, was immer dann zu Mißverständnissen führte, wenn Randy Newmans zynische Tiraden ihm selber und nicht seinen Figuren unterstellt wurden. Short people gehört zu seinen populärsten Schmähliedern auf die Intoleranz, und es mag eine augenzwinkernd pädagogische Pointe sein, dass ausgerechnet dieser Song ("short poeople have no reason to live") als einziger der Celebration-Sammlung nicht gesungen, sondern zu einem achtminütigen Instrumentalstück ausgebaut wird.

Mit ihrer bluesdurchwachsenen Stimme gibt Anna Lauvergnac ansonsten den bösen Tönen der Newman-Figuren - "Außenseiter, Versager, Schwindler" (FR) - ebensoviel Schmutziges und Trauriges zugleich wie es Newman selber kann und kürzlich in puristischen Neuaufnahmen seiner Klassiker nochmals vorgeführt hat ("The Randy Newman Songbook, Vol I", September 2003).

In Mama told me not to come ist Anna Lauvergnac die abgebrühte Tochter, die auf eine Drogen-Party gerät, in You can leave your hat on die Verführerin mit ungewöhnlichen sexuellen Präferenzen, in Germany before the war der alte Mann, der das goldhaarige junge Mädchen am Rhein in den Tod führt.

Aber Newman, der seit 20 Jahren Filmmusik für großes Orchester schreibt und zuletzt für "Monsters Inc." einen Oscar gewonnen hat, will nicht nur als Zyniker oder radikaler Kritiker gesehen werden. Bei allem Spott - die beiden Gratulantinnen betonen auch die Herzseite dieser Musik, das Blues-Feeling, das Randy Newman am liebsten wegwischt: Das melancholische I think it`s going to rain today, von Judy Collins und Dutzenden anderer Interpreten nachgesungen, gehört - in einer Duo-Version, Julia Hülsmann am E-Piano - zu den schönsten Stücken dieses Albums.

Melancholische Töne auch am Anfang und Ende: Der Schlußtitel Old man on the farm korrespondiert mit dem Eingangslied Lets burn down the cornfield, einem verzweifelten Blues, in dem das geschmeidige Zusammenspiel der Triomusiker besonders zur Geltung kommt. Marc Muellbauer am Bass ist nicht nur diskreter Begleiter, sondern exzellenter Solist, Heinrich Köbberlings Schlagzeug wechselt elegant zwischen rockigem Groove und diffizilen Jazz-Figuren.

Alle drei umspielen Anna Lauvergnacs unter die Haut gehende Stimme mit einer ebenso hitzigen wie subtilen Musik, die den klaren, kleinen, scheinbar schlichten Lied-Formeln Randy Newmans verbunden bleibt, auch dort, wo die Musiker sich zu weiten Improvisationen aufschwingen. Ihre Liebeserklärung an einen Klassiker ist so zärtlich wie frech, so gebunden wie frei. Mit "Come Closer" beweist Julia Hülsmann, dass sie als Pianistin und als Arrangeurin künftig zu den großen gehört.

© Hans Happel, 21. April 2004

vorschau Tour-Daten Julia Hülsmann & Anna Lauvergnac

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