Überall
auf der Welt versuchen Rapper und ihre Bands, auf die Hiphop-Welle
aufzuspringen - und meistens gehen sie mit ihr unter. Woran das liegt
? Den meisten selbst ernannten Nachfolgern fehlt die Authentizität,
das Verständnis für die soziokulturelle Herkunft des Hiphop,
seine Ausdrucksweise und seine gesellschaftspolitische Bedeutung.
Nicht jedes Mittelschichts-Kid schafft es, die selbst gebastelten
Reime glaubwürdig als subkulturelle oder gar gesellschaftskritische
Avantgarde zu verkaufen.
Besonders
schwierig, um nicht zu sagen lächerlich, ist es oft, wenn Hiphop
im 1:1-Verfahren nach Europa verpflanzt wird. Umso glücklicher
ist man dann, wenn es doch mal gelingt und eine europäische Band
einen Weg findet, das Lebens- und Musikgefühl des Hiphop mit
der eigenen Kultur zusammenzubringen.
"Traccia
Mista", zu deutsch "Vermischte Spur", haben für
sich diesen Weg gefunden. Die Gruppe um Rapper Luciano (DJ Rico, Cisco
"Gruva" Chionchio und der aus Argentinien stammende Gitarrist
Joe) hat jüngst ihr Debüt "Primo" (Das erste)
vorgestellt.
"Bei
uns in Italien haben wir zahlreiche gute Hip Hop Musiker, die es Wert
sind gehört zu werden. Was mir bei diesen Bands manchmal ein
bisschen fehlt ist der Glaube daran, ihren eigenen Weg zu finden,
um das auszudrücken, was sie wirklich beschäftigt und was
in der italienischen Kultur verwurzelt ist", so Luciano.
Auf
"Primo" haben Traccia Mista (der Name ist Programm) verschiedene
Spuren ausgelegt, denen man gerne folgt: Natürlich gibt es puren
Rap, aber mindestens gleichberechtigt daneben Soul, Funk, R&B,
mitreißende Grooves und Beats - ein bisschen Pop, akustische
Gitarre, gute Launeund Lebensfreude, vielleicht das wirklich "italienische"
Element auf "Primo", das gar nicht erst den Versuch unternimmt,
die US-amerikanischen "Originale" des Genres zu kopieren.
Die
Kälte, die viele Rapper ausmacht, die latente Aggressivität
und potenzielle Gewalt, das alles fehlt bei Traccia Mista völlig,
statt dessen gibt es viel Spaß, Clubsounds und satte Arrangements,
wie man sie bislang vielleicht von den Fugees und Ex-Frontfrau Lauryn
Hill oder Mitte der 90er von "Blackstreet" kannte.
Dass
auch in anderen Sprachen als Englisch überzeugend gerappt werden
kann, wissen wir schon von McSolaar, Jovanotti oder der heimischen
Szene. Das gelingt auch Traccia Mista mit absoluter Lässigkeit.
"Primo" mit seiner relaxten Ausstrahlung ist eigentlich
ein Album für den Sommer. Aber den müssen wir uns jetzt
wohl erstmal dazudenken ...
MF
/ 3. November 2001