Unter 
            den französischen Musikern mit arabischer Herkunft ist Rachid 
            Taha in politischer Hinsicht wahrscheinlich einer der engagiertesten. 
            Seine Karriere begann mit Protest gegen die restriktive Einwanderungspolitik 
            der französischen Regierung Anfang der 1980er Jahre, als in ganz 
            Europa die Grenzen für Einwanderer und Flüchtlinge mehr 
            und mehr geschlossen wurden.
          Taha, 
            der 1958 in der algerischen Hafenstadt Oran geboren wurde und zehn 
            Jahre später mit seiner nach Frankreich kam, gründete seine 
            erste Band 1982 und nannte sie nach dem wichtigsten Papier der Migranten: 
            "Carte de séjour" (Aufenthaltserlaubnis). Bis heute 
            ist Taha einer der wichtigsten Fürsprecher der Generation von 
            Immigranten, die die Heimat ihrer Eltern mehr oder weniger nur noch 
            aus deren Erinnerung kennen und ihre Anerkennung als gleichberechtigte 
            französische Staatsbürger selbstbewusst einfordern.  
          
          Zu 
            Solo-Erfolgen kam Rachid Taha allerdings erst einige Jahre nach "Carte 
            de séjour". Sein Debüt "Barbès" 
            wurde 1991 zynischerweise zu einer Art "Kollateralschaden" 
            des Golfkriegs, denn die Radiosender hielten sich mit der Promotion 
            arabisch-sprachiger Musik zurück, und so dauerte es noch zwei 
            Jahre, bis das nachfolgende Album, schlicht "Rachid Taha" 
            genannt, zum wirklichen Erfolg wurde. 
          Seitdem 
            ging es immer weiter steil bergauf - bis die Karriere Rachid Tahas 
            1998 ihren vorläufigen Höhepunkt in der Beteiligung am mittlerweile 
            legendären "123 soleils"-Konzert in Bercy fand, wo 
            er vor 15.000 begeisterten Besuchern gemeinsam mit Khaled und Faudel 
            das "Gipfeltreffen" des franko-arabischen Pops feierte.
          Nach 
            seinem hochgelobten 2000er Studioalbum "Made in Medina" 
            hat Rachid Taha jetzt sein erstes eigenes Live-Album veröffentlicht. 
            Darauf finden sich einige seiner schönsten Kompositionen ("Ya 
            rayah", "Medina", "Voilà, voilà"), 
            die seine musikalische Vielseitigkeit eindrucksvoll unter Beweis stellen. 
            Taha ist unter den aus dem Maghreb stammenden Musikern vielleicht 
            derjenige, der sich mit seinem individuellen Stil am weitesten in 
            den Westen vorgewagt hat:
          Während 
            etwa Khaled hauptsächlich auf die Verbindung des algerischen 
            "Raï" mit Pop und französischem Chanson sucht, 
            versucht sich Taha auch immer wieder erfolgreich in überraschend 
            rockigen Rhythmen und lauten Gitarren, die gemeinsam mit den traditionellen 
            arabischen Klängen eine hypnotische und energiegeladene Mischung 
            ergeben - die bei einer Live-Aufnahme wie dem vorliegenden Album umso 
            stärker zur Geltung kommen. 
          Seine 
            Musik weist Rachid Taha als zielgerichteten Provokateur der Szene 
            aus, dem Led Zeppelin genau so nah ist wie die traditionelle Musik 
            seiner Vorfahren; dem dogmatischer Purismus gleichbedeutend ist mit 
            bornierter Intoleranz und der deshalb überzeugend und selbstbewusst 
            versucht, zwischen Chaabi und Cajun, Raï und Rock einen eigenen 
            Weg zu gehen. 
          Weil 
            keines der elf Stücke auf "Rachid Taha - live" kürzer 
            ist als fünf Minuten, gibt es tatsächlich auch ausreichend 
            Gelegenheit, in die aufregenden Rhythmen einzutauchen und etwas von 
            der Konzertstimmung mitzubekommen. Versucht also gar nicht erst, "Rachid 
            Taha live" leise zu hören !
          Michael 
            Frost, 8. Dezember 2001