Musikalische
Archäologie betreibt seit einiger Zeit ein spanisches Trio namens
"Radio Tarifa". Indem die drei Musiker der maurischen Vergangenheit
des Landes, also die Besetzung Spaniens durch die Araber, die 1492
mit dem Fall Granadas endete, nachspüren, legen sie einen in
Vergessenheit geratenen Teil der Vergangenheit Spaniens frei, einem
Land, das dem Norden Afrikas oft näher war als den nördlichen
Nachbarn in Europa.
Faín
Duenas (Gitarren, Streichinstrumente, Bass und Percussion), Benjamín
Escoirza (Gesang) und Vincent Molino (Blasinstrumente, Tasten) erzeugen
auf "Cruzando el Río" die Klangfülle eines ganzen
Orchesters, legen in ihrem Madrider Garagen-Studio Tonspur über
Tonspur, bis der gewünschte Effekt entstanden ist. Was nach einem
hoch-technisierten Prozess klingt, erzeugt jedoch in Wahrheit akustische
Sinnesfreuden par excellence: Hier erwächst alte Musik zu neuem
Leben - zu bewundern ist die Wiederauferstehung einer untergegangen
geglaubten Kultur - die aber auch im heutigen Spanien noch gegenwärtiger
ist als viele glauben.
Die
Herkunft oder Verknüpfung traditioneller spanischer Folklore
mit arabischen und anderen Klängen, Instrumenten und Rhythmen
verschiedener Kulturen des Mittelmeeres wird bei "Radio Tarifa"
offenkundig. Deutlich ist auch, wie bereichernd die alte Musik für
die heutige Zeit ist. Tatsächlich hat der kulturelle Austausch
zwischen den Maghreb-Ländern und Spanien das Ende der maurischen
Herrschaft überdauert, die gegenseitige Beeinflussung ist auch
heute noch spürbar.
Radio
Tarifa nähern sich dieser Bindung aus der Vergangenheit, indem
sie mit historischen Instrumenten verschiedener Epochen und Herkunft
arbeiten, darunter eine alt-ägyptische Flöte, die schon
während der Zeit der Pharaonen gespielt wurde, Blasinstrumente
aus dem europäischen Mittelalter und der Renaissance. Aus der
magischen Kombination von Stimmen und Instrumenten entstehen eigene
Kompositionen genauso wie traditionelle Tangos, andalusische Balladen,
orientalische Flamencos und Volkslieder aus Kastillien.
"Cruzando
el río" ist zu Recht ein enormer Erfolg geworden. Zwischen
Tarifa, der Südspitze Spaniens, die dem Trio den Namen gab, weil
von dort die Nordspitze Marokko mit bloßem Auge zu sehen ist,
bis Istanbul ist das Album begeistert aufgenommen worden. Außerdem
wurde die Produktion bereits mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik
ausgezeichnet.
Michael
Frost, 26. Januar 2002