Auch
Italien ist ein multikulturelles Land. Was wir hierzulande als „italienische“
Kultur wahrnehmen, ist in Wahrheit ein Sammelsurium von „Mitbringseln“
und Traditionen ganz unterschiedlicher Herkunft. In Süditalien
beispielsweise gab es jenseits von Kriegen und Eroberungen schon immer
einen regen kulturellen Austausch mit den arabischen Völkern auf
der anderen Seite des Mittelmeeres. Hier liegt eine der Wurzeln der
neapolitanischen Band ALMAMEGRETTA (in etwa: „Wandernde Seele“); eine
weitere liegt in Neapel selbst.
LINGO,
die dritte CD der Band, wird überwiegend im neapolitanischen
Dialekt gesungen, der sich vom Italienischen immerhin genug unterscheidet,
um dem Booklet eine italienische Übersetzung beilegen zu müssen.
Die
Sprache aber macht ALMAMEGRETTA noch lange nicht zu einer „Ethno“-Band
im typischen Sinne, denn die Drums&Beats-, Rap- und Hiphop-Einflüsse
afro-amerikanischer Herkunft sind in ihren Stücken beherrschend.
Ihr
eindringlicher Sprechgesang klingt hart, die unterlegten Klänge
arabischer Herkunft verwirren das MTV-gewöhnte Ohr. ALMAMEGRETTA
ist rau und kantig, selbst bei ruhigeren Titel wie FATMAH und RESPIRO,
bleibt aber immer dancefloor-tauglich und sehr emotional.
Insgesamt
bildet LINGO eine abwechslungsreiche, rhythmische Symbiose zwischen
verschiedenen Stilrichtungen und zeigt deshalb vielleicht Perspektiven
für eine eigenständige, regional entwickelte aber global
beeinflusste Definition des Begriffs „Weltmusik“.
MF
/ 23. September 2000