"Geboren
im Senegal, meine Eltern kamen aus Tschad, ein Sohn des Sahel, ...,
aber ich bin hierher gekommen nach Saint Denis, mit meinen Brüdern
und Schwestern, wir ziehen um wegen Evry, meine Mutter putzt im
Krankenhaus. Sie weiß, dass das Wissen mein einziger Verbündeter
ist, sie kommt abends spät, ich spiele Fußball ... eines Tages sagte
ein Typ zu mir, Los, steh' auf und rap' !"
So
erzählt Mc Solaar in "Lève-toi et rap", einem von insgesamt zwanzig
Titeln seines Albums "Cinquième As", seine Lebensgeschichte. Mc
Solaar hat viel zu erzählen, und das unterscheidet ihn wohltuend
von den Horden von Mittelschichts-Hiphoppern, die in den letzten
Jahren auf einen Zug aufsprangen, der nicht der ihre war, weil ihnen
Herkunft und Seele des Rap unbekannt waren.
Mc
Solaar beweist seit 1991, als mit "Qui sème le vent récolte le tempo"
(Wer Wind säht, wird Sturm ernten), dass Hiphop nicht zwangsläufig
aus New York kommen muss. Er kann ebenso authentisch in den "Banlieus",
den tristen Vorstädten von Paris, entstehen, dort, wo die sozialen
Probleme sich häufen, der Anteil arabischer und afrikanischer Einwanderer
besonders hoch und die Chancen auf Arbeit und Bildung besonders
gering sind.
McSolaar
kennt dieses Milieu genau, und er hat diese Wurzeln nicht vergessen.
Bis heute scheinen sie ihm Antrieb und Verpflichtung zugleich zu
sein. So hat er dem mit dem kommerziellen Erfolg einhergehenden
Anpassungsdruck widerstanden, darüber hinaus keinen Anlass gesehen,
seine Texte auf Englisch zu rappen und ist so Sprachrohr und Hoffnungsträger
einer vernachlässigten und perspektivlosen Generation geworden,
die vor den Toren (nicht nur) französischer Metropolen heranwächst.
Trotzdem
ist Mc Solaar in seiner künstlerischen Entwicklung und seiner Ausdrucksweise
nicht stehen geblieben. "Cinquième As" stellt nicht nur erneut seine
rhetorischen und poetischen Qualitäten unter Beweis, sondern auch
Mc Solaars Lust auf musikalische Experimente, bei denen er jeden
Anflug von Kompromissen gekonnt vermeidet.
"Cinquième
As" ist empfindsam und kraftvoll zugleich, Texte und Arrangements
sind an Deutlichkeit nicht zu übertreffen, ergänzen sich je nach
Inhalt und Bedeutung perfekt: harmonisch oder ironisch, fröhlich
oder aggressiv. Oder anklagend wie in "Arkansas", das den Amoklauf
eines Achtjährigen nachvollzieht: "Deux morts, onze blessés" (Zwei
Tote, elf Verletzte).
Stets
klingt der Rap Mc Solaars etwas bedächtiger, intellektueller, melodiöser
als der seiner meisten US-amerikanischen Kollegen und ist von deren
oft grotesken Ritualen und Eskapaden Meilen weit entfernt. Seine
Texte klingen glaubwürdig, ernst und authentisch; die Beats sind
wie für die Tanzfläche geschaffen, und so wird "Cinquième As" zum
ganzheitlichen Erlebnis, von dem Bauch und Verstand gleichermaßen
profitieren.
Grandios !
MF
/ 21. Juli 2001