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Bestechende
Deutlichkeit


Ihr Output ist beeindruckend: Kaum mehr als dreißig Jahre jung, hat Ani Difranco bereits fünfzehn Alben veröffentlicht, und schon folgt Nummer sechzehn: "Evolve".
"Wir haben über die Jahre unser eigenes Vokabular entwickelt, unsere eigene Ästhetik", sagt Ani Difranco und klingt dabei wie eine Künstlerin, die im Alter auf ihr Lebenswerk zurückblickt. Die nötige Reife besitzt sie, das sichere Gespür für Arrangements und Atmosphäre auch, und nicht zuletzt über Erfahrung als Managerin in eigener Sache. 1990 hatte sie ihr eigenes Label "Righteous Babe Records" gegründet, wo sie fortan ihre eigenen Alben, aber auch Produktionen von Kollegen veröffentlichte.

"Capitalism is the devil's wet dream", singt sie in "Serpentine", einem Schlüsselstück des neuen Albums, und nach diesem Motto organisierte Ani DiFranco ihre Plattenfirma wie eine Kulturinitiative: Ihre Einnahmen fließen stets in die Finanzierung von Projekten anderer Künstler, Bürgerrechtsaktivisten und lokale Gruppen in Buffalo/New York, ihrem Heimatort.

So bewahrte sie ihre künstlerische Unabhängigkeit, verzichtete dafür auf ein großes Promotionbudget und mehrte ihre Fangemeinde statt dessen durch unermüdliche Konzertreisen rund um den Globus. Der Erfolg blieb nicht aus. Heute zählt Ani DiFranco zu den wichtigsten US-amerikanischen Musikerinnen überhaupt, ein Ruf, den sie sowohl der Souveränität verdankt, mit der sie sich "über alle Stilschranken hinwegsetzte" (Poplexikon) als auch der Kompromisslosigkeit, mit der sie in ihren Texten so ziemlich jede Fehlentwicklung der US-Gesellschaft thematisiert und abkanzelt. Manchmal geraten ihre Lieder dabei zum Manifest gegen religiöse Fundamentalisten im eigenen Land (Abtreibungsgegner), die Macht der Waffenlobby, die Republikaner, aber auch die Musikbranche, die sie in dem bereits zitierten Titel "Serpentine" unverblümt mit der Mafia vergleicht: "And the music industry mafia is pimping girl power sniping off sharpshooter singles from their styrofoam rowers ..."

Scharfzüngig wie eh und je legt Ani DiFranco also auch auf "Evolve" die Finger tief in die Wunde. Begleitet wird sie von ihrer angestammten Band, die aus Julie Wolf (Keyboards), Hans Teuber (Querflöte, Saxophon, Klarinette), Jason Mercer (Bass), Daren Hahn (Schlagzeug, Percussions) sowie Shane Endsley, Ravi Best und Shane Endsley (Trompete, Flügelhorn) besteht. Folk, Blues, Jazz und erdige Beats sind die Grundrhyhthmen, auf deren Grundlage ihre Melodien und Texte entstehen, und trotz der politischen Ausrichtung vieler Songs bleibt doch genügend Raum für gefühlvolle und lautmalerische Tongebungen.

Doch gerade in diesen Tagen wird man von Ani DiFranco natürlich das politische Statement erwarten. Gemeinsam mit anderen Künstlern gehört sie wiederum zur Spitze der Friedensbewegung in den USA, die versucht, eine Gegenöffentlichkeit zur offiziellen Kriegspropaganda der Bush-Administration zu organisiern, denn, so singt sie in bestechender Deutlichkeit: "And the freedom of the press is meaningless if nobody asks a question."

© Michael Frost, 22. März 2003

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