Jazz
ist einer der wichtigsten Musikstile des 20. Jahrhunderts. Entstanden
innerhalb der afroamerikanischen Musikszene in den USA, inspirierte
und veränderte er bald die übrige (westliche) Musikwelt. Die
Ankunft des Jazz in Europa, genauer im Paris der 1920er Jahre, zeichnete
vor nicht allzu langer Zeit der italienische Jazz- und Bluesmusiker
Paolo Conte mit seiner Revue "Razzmatazz" nach.
Seither
hat sich der Jazz naturgemäß gewandelt. Beeinflusst er
seit seinen Anfängen andere Genres, so wird er in seiner zeitgenössischen
Form zunehmend selber beeinflusst: Rock, Pop, Electronica, Hiphop,
Soul, Reggae, Drums & Bass, sogar Dance, Trance und Techno hinterlassen
im modernen Jazz ihre Spuren.
So
auch bei Laurent de Wilde. Der französische Jazz-Pianist hat
sich ganz der Fusion aktueller Dancebeats mit seiner Vision des Jazz
verschrieben. Zu seinen Fender Rhodes gesellen sich Computerbeats
und Samples, aber auch eine berückende Vielzahl akustischer Begleiter,
darunter manchmal sogar mehrere Saxophone (Gael Horellou), Trompete
(Flavio Boltro) und Posaune (Julien Chirol), Querflöte (Orlando
Maraca Valle), Schlagzeug (Stéphane Huchard, Julien Charlet,
Laurent Robin) und Bass (Jules Bikoko, Remi Vignolo).
Die
scheinbar widersprüchliche Mischung rhythmischer Dancebeats und
klassischer Jazz-Standards verleiht seinen Kompositionen eine pulsierende
Energie, die den Zuhörer unvermittelt gefangen nimmt.
Mit
seiner spannungsvollen Sound-Kombination zieht de Wilde uns in seinen
Bann, denn nichts an dieser Musik ist vorherseh- oder sonstwie berechenbar.
Jeder Titel präsentiert eine neue Facette, einen anderen Aspekt
seines Themas, das mit der Überschrift "Vom Jazzclub zum
Club-Jazz" (Pressetext) absolut zutreffend beschrieben ist.
Für
Puristen dürfte de Wilde eine arge Herausforderung sein. Die
jeweiligen Gesetzesmäßigkeiten des Jazz und des Dancefloors
dienen ihm allein zu dem Zweck, sie zu überwinden. Doch den fundierten
Hintergrund wird man ihm nicht absprechen können. Der ehemaligen
Student der Philosophie ist nicht nur als Musiker und Komponist aktiv,
sondern auch als Buchautor. 1996 veröffentlichte er eine Biographie
des Pianisten Thelonius Monk, eines seiner großen Vorbilder.
Einem weiteren Idol zollt Laurent de Wilde auf "Stories"
mit einer Cover-Version Tribut: Charles Mingus.
Und
für restlose Begeisterung sorgt letztendlich der einzige Titel
mit Gesangspart: "If I could". Den Titel singt die aus Malawi
stammende britische Jazz-Sängerin Malia, deren fantastisches
Solo-Album "Yellow Daffodils" im April veröffentlicht
wird. "Als ich zum ersten Mal die Gelegenheit hatte Malia singen
zu hören, dauerte es nur einige Sekunden, bis ich zu einem glühenden
Bewunderer wurde", schreibt de Wilde im Begleittext zu "Stories".
Doch auch für ihn bleibt noch genügend Anlass zur Bewunderung.
©
Michael Frost, 01. März 2003