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Aufbruchstimmung


Als Depeche Mode 1981 mit ihrem minimalistischen Synthisizer-Sound und der Single "Dreaming of me" auf der Bildfläche erschienen, hätte wohl niemand angenommen, dass sich daraus eine bald 25-jährige Karriere mit mehr als 50 Mio. verkauften Tonträgern entwickeln könnte, in deren Verlauf die Band den düsteren Clubs längst entwachsen ist und mühelos selbst die größten Konzerthallen füllen würde, manchmal sogar an zwei Abenden hintereinander. Am wenigsten optimistisch waren Depeche Mode selbst: "Wenn ich bei einer Band darauf gewettet hätte, dass es sie heute nicht mehr gibt, dann auf uns selbst", sagt Leadsänger Dave Gahan rückblickend.

Doch heute zählen Depeche Mode, vielleicht neben U2 und REM zu den ganz wenigen Bands aus den 80ern, die sich nicht mit Auftritten in drittklassigen Retroshows zufrieden geben müssen.

Im Gegenteil: Das Phänomen "Depeche Mode" funktioniert auch auf dem neuen, heiß ersehnten Album "Playing the angel". Mehr noch: Die Band traut sich wieder etwas, sie hat Mut zur Lautstärke, zum Tempo, zum metallischen Klang und zur Düsternis. Damit durchlaufen sie eine ähnliche Entwicklung wie die Weggefährten von The Cure, die nach einer recht pop-betonten Phase inzwischen kompromisslos an ihre Darkwave-Herkunft anknüpfen, natürlich mit zeitgemäßen Mitteln.

Es scheint, als hätten die Soloerfahrungen, die sowohl Dave Gahan als auch Martin Gore seit der letzten Depeche Mode-Veröffentlichung "Exciter" (2001) unternahmen, die gemeinsame Produktivität beflügelt: Über weite Strecken klingt "Playing the angel" nach Aufbruch: schon die schrille Fanfare zum Albumbeginn wirkt programmatisch.

Jedenfalls ging Dave Gahan, der zwar seit jeher die Stimme von Depeche Mode ist, aber das Songwriting bislang komplett Martin Gore überlassen hatte, mit neuem Selbstbewusstsein an die Aufnahmen für das neue Album. Tatsächlich hatte Gahan mit "Paper monsters" (2003) ein großartiges, atmosphärisch stimmiges Solo-Debüt vorgelegt. So verantwortet die späte Songwriter-Konkurrenz innerhalb der Band vielleicht den Kreativitätsschub, der auf "Playing the angel" zum Ausdruck kommt:

Drei der zwölf Titel, und sicherlich nicht die schwächsten, stammen nun aus der Feder Dave Gahans ("I want it all", "Suffer well", und "Nothing's impossible"). Sie fügen sich nahtlos in die übrigen Titel ein, die nach Aussage von Andy Fletcher innerhalb von nur fünf Wochen entstanden seien: "Für Depeche Mode ein Weltrekord". Fletcher, der die Zeit seit "Exciter" übrigens mit dem Aufbau eines eigenen Plattenlabels ("Toast Hawaii") verbrachte, empfand die Arbeit an dem neuen Sound als Herausforderung. Mit Ben Hillier engagierte das Trio zudem einen Produzenten, der bekennenderweise kein Depeche Mode-Fan war. Auch diesem widersprüchlichen Verhältnis verdankt "Playing the angel" seine Runderneuerung.

Angesichts der druckvollen Sounds des neuen Albums wird die Vorfreude auf die anstehende Tour noch deutlich erhöht: diese Songs warten nur darauf, live gespielt zu werden. Karten für die Konzerte im Januar und Februar gibt es bereits so gut wie keine mehr, doch gerüchteweise ist zu vernehmen, dass die Band im Sommer für einige Stadionkonzerte zurückkehren wird.

© Michael Frost / 10.10.2005

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