.

 

 

 

Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Stimmen ohne Grenzen


A cappella ist wahrlich eine hohe Kunst, die längst nicht jeder beherrscht, der singen kann. Denn der Gesang findet keinerlei Unterstützung durch Instrumente, kann sich weder hinter ihnen verstecken noch sich von ihnen durch schwierige Passagen tragen zu lassen. Hinzu kommt, dass A cappella eine ziemlich variationslose Angelegenheit sein kann, wenn man die Stimme nicht immer wieder zu überraschenden Kapriolen herausfordert.

Bobby McFerrin ist wohl der Prototyp des traditionellen A cappella-Gesangs, und Unlängst führte Björk mit ihrem Album "Médulla" vor, dass Stimmen ein komplettes Electronica-Set ersetzen können - A cappella am Rande des Unmöglichen.

Dagegen nehmen sich andere nordische Kollegen wunderbar harmonisch aus, fusst doch ihr Gesang zum Teil auf Traditionen, die viele Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückreichen, in die Welt der Chöre und Choräle, der Volkslieder, die aber auch vor modernem Liedgut keineswegs zurückschrecken.

So sorgte die schwedische A cappella-Band "The Real Group" vor einiger Zeit für Furore, als sie den Abba-Klassiker "Dancing Queen" in einer Fassung ohne Instrumente vorstellten - mit keiner Geringeren als Abba-Stimme Frida höchstselbst als Gastsängerin.

Aus Finnland kommt nun eine weitere, hoch interessante A cappella-Band zu uns. Rajaton (finnisch für "grenzenlos" oder "zeitlos") veröffentlicht zunächst ein Best-of-Album: "Out of bounds". Die übrigen Alben, so der ehrgeizige Plan des umtriebigen Labels "Just Records", sollen in Kürze folgen.

"Out of bounds" ermöglicht aber schon einen tiefen Einblick in die wahrlich "grenzenlose" Welt von Rajaton. Es sind die klassischen, bisweilen ins Sakrale reichenden Harmonien, die den ersten Eindruck prägen, doch mit erkennbarer Leidenschaft integriert die Gruppe auch Jazz, Pop und Folk in ihren Sound. Das Sextett aus Essi Wuorela und Virpi Moskari (Sopran), Soila Sariola (Alt), Hannu Lepola (Tenor), Ahti Paunu (Bariton) und Juassi Chydenius (Bass) verfügt über unzählige Möglichkeiten der Variation und Modulation. Man vergisst bisweilen, dass es sich überhaupt um A cappella-Gesang handelt, oder man hört ganz genau hin um sicher zu gehen, dass nicht doch geschummelt wurde.

Rajaton nutzen Beatboxer für die tiefen Klänge ("Vanishing act"), mehrstimmigen Frauengesang , der an ihre Kolleginnen von Värttinä erinnert ("The wild song"), sie covern Soul-Pop ("I was brought to my senses"/Sting) und die Beatles ("Lady Madonna") mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie auch die Musik der finnischen Jazz-Legende Heikki Sarmanto ("Un-wishing well") bearbeiten.

"Out of bounds" enthält außerdem eine gemeinsam mit den schwedischen Freunden von "The Real Group" eingespielte Aufnahme: "We walk in a fog". Für den Nachweis des großen Potenzials beider Gruppen ist dieser Titel eine überzeugende Visitenkarte: man meint darauf die typisch-sphärische Trompete von Nils Petter Molvær zu hören - doch tatsächlich wird auch dieser Klang mit der Stimme erzeugt.

Für "Out of bounds" wurden die Songs, die Rajaton im Original auf Finnisch singen, ins Englische übersetzt. Sie gewinnen dadurch an Internationalität, doch man darf auf die Veröffentlichung der ursprünglichen, finnischen Versionen gespannt sein. Einen Vorgeschmack gibt "Out of bounds" zum Ausklang: "Mitä kaikatat, kivonen?" ist ein alter Traditional, zudem in alter finnischer Sprache überliefert.

Doch auch an neuer Musik haben die Sechs von Rajaton weiterhin ihren Spaß: Gemeinsam mit dem Symphonieorchester von Lahti haben sie bereits ihr neues Album aufgenommen, das in Finnland noch in diesem Herbst veröffentlicht wird: "Rajaton sings Abba".

© Michael Frost, 17.09.2006

 

[Archiv] [Up]