Die
nördliche Hemisphäre ist voller seltsamer Erscheinungen und
eigenartiger Künstler. Und Künstlerinnen. Die Norwegerin Anja
Garbarek gehört in diese Liste von Musikerinnen, die ihren ganz
eigenen, verträumten und versponnenen Weg jenseits des Mainstreams
suchen; die Dänin Gry, die im Gespann mit F.M. Einheit (Einstürzende
Neubauten) für Furore sorgt; die Samin Mari Boine mit ihrer sonderbaren
Fusion aus Folklore, Trance und Jazz; aus Island kennt man Emiliana
Torrini, natürlich Björk - und Stina Nordenstam quasi als
Schwedens Sonderbotschafterin für bizarre Sounds.
"Als
Kind machte ich Musik bloß um mich zu beschäftigen und
nicht zu Hause sein zu müssen", sagt die Stockholmerin.
"Dabei war ich an Musik gar nicht so besonders interessiert.
Ich interessierte mich eigentlich für überhaupt nichts,
auch nicht fürs Leben."
Die
depressive Phase überwand sie spät, schon Anfang 20. Sie
begann in verschiedenen Bands zu spielen und ihre ersten englischen
Songs zu schreiben. Die Ratlosigkeit als Grundelement und Lebensphilosophie
blieb ihren Liedern jedoch erhalten.
Ihr
besonderes Talent blieb nicht lange unentdeckt. Ihr Album-Debüt
erfolgte 1991 und erregte sofort auch internationale Aufmerksamkeit.
Nordenstams introvertierte Song-Poesie, die sie vor minimalistisch
arrangiertem Hintergrund mit mädchenhafter Stimme ins Mikro haucht,
ist ihr besonderes und unverkennbares Markenzeichen.
Zur
vollen Entfaltung kam ihr zerbrechlicher Gesang 1994 auf "And
she closed her eyes", für viele bis heute ihr bestes Album.
Während ihre amerikanischen Kolleginnen wie Alanis Morissette
oder Sheryl Crow ihre Gitarren zum wütenden Aggressionsabbau
benutzen, klingen Stina Nordenstams Akkorde wie zufällig gezupft,
seltsam zurückhaltend und gelangweilt. Sie erfüllt eben
auch dieses Klischee der emanzipierten Songwriterin mit Gitarre nicht.
In
ihrer Ruhe liegt nicht die Kraft, wie sie sich bei Tracy Chapman oder
Suzanne Vega äußert, sondern immer schwingt etwas Bedrohliches
und Beängstigendes mit, wenn Stina Nordenstam ihre Geschichten
selbstvergessen ins Ohr der Zuhörer wispert - ein klaustrophobes
Element, das ihrer Musik diesen ganz einzigartigen Spannungsbogen
verleiht.
Es
gelingt ihr sogar, ihre besondere Sichtweise auf die Musik anderer
zu übertragen. Dies bewies sie mit ihrem hoch gelobten, 1998
veröffentlichten Album "People are strange", für
das sie u.a. völlig entrückte Cover-Versionen von Rod Stewards
Klassiker "Sailing", Leonard Cohens "I came so far
from beauty" und "Purple rain" (Prince) aufnahm, jeweils
im Sinne ihrer speziellen Vorstellung von Klang und Traum.
Jetzt
erschien ihr neues Album "This is Stina Nordenstam". Der
Sound der leider nur knapp 30-minütigen CD ist satter und kräftiger
geworden, insgesamt ein wenig freundlicher und optimistischer. Der
verträumt-melancholische Grundton ist dennoch ebenso geblieben
wie der für sie charakteristische zart-weiche Gesang.
Die
Lieder werden wiederum gewohnt bizarr instrumentiert; technisch mit
Erinnerungen an Suzanne Vegas Album "99.9°F", sparsam,
schräg und futuristisch wie auch Anja Garbarek ("Smiling
& Waving").
Unter
den Gast-Musikern befindet sich übrigens auch Brett Anderson
(Suede). Stina Nordenstam scheint es gut zu gehen. Man hört es
ihr an.
Michael
Frost, 15. Januar 2002
Zitate: virgin.net
Fotos: sonymusic
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