Wenn
Oasis, die Begründer der Britpop-Retrowelle, in diesem Jahr ihr
lang erwartetes - und vermutlich erneut überbewertetes - Album
veröffentlichen, werden sich die Gallagher-Brüder und Gefolge
erstmals mit der zweiten Generation der Retro-Rocker messen lassen müssen.
Zum
Beispiel auch mit Mando Diao, die im vergangenen Jahr, etwas zu Unrecht
im Windschatten der alles überstrahlenden Schotten von Franz
Ferdinand, zum Sprung auf die internationalen Bühne ansetzten.
Doch nun sind sie in aller Munde - und genießen gegenüber
der Konkurrenz den Vorteil, dass sie bereits ein zweites Album in
der Schublade haben.
Hinterhoftreppen
und dunkle Kellerclubs, Hochhausdächer und Tiefgaragen - auch
die Videos unterstreichen das Bild vom puren, straighten Rock'n'Roll
Marke Mando Diao. Doch der ist ironischerweise nicht etwa in einer
Arbeitersiedlung von Liverpool, Manchester oder Glasgow entstanden,
sondern in einem vermutlich idyllisch gelegenen Sommerhaus in Borlänge,
Schweden. Denn dort, in der skandinavischen Provinz, wuchsen Björn
Dixgård, Gustaf Norén, Carl-Johan Fogleklou und Samuel
Giers auf. Wenn es also überhaupt noch eines Beweises bedurfte,
dass das britische Monopol für Rockmusik gebrochen ist, dann
heißt er Mando Diao.
Kaum
zwanzig Jahre alt waren die Mitglieder von Mando Diao, als ihr Debütalubm
"Bring'em in" 2002 in Schweden veröffentlicht wurde.
Danach dauerte es noch zwei Jahre, bis das Album den Weg in die übrigen
europäischen Länder fand. In der Zwischenzeit brachten Mando
Diao zu Hause ihr zweites Werk "Hurricane Bar" heraus, das
jetzt, nach dem Erfolg des Erstlings, schnell nachgeschoben wird (VÖ-Termin
Deutschland: 24.01.05). Den Titel hat die Platte von einem Club in
Borlänge, in dem Mitte der 90er Jahre Britpop angesagt war. Musik
und Atmosphäre dieser Zeit haben die vier spürbar beeinflusst,
und doch hat ihre Musik - im Unterschied zu Oasis - so gar nichts
rückwärtsgewandtes, obwohl sie erkennbar in der Tradition
der 60er steht.
Anders
als Gallagher & Co. kopieren sie die Heroen von damals aber nicht,
sondern transportieren ihren Sound in die Gegenwart. "Es gab
einen Aufstand als wir sagten, dass 'Bring'em in' besser sei als jede
Platte der Beatles, Stones, Kinks oder Who", räumt Gustaf
Norén ein, jedoch nur, um noch eins draufzusetzen: "Mit
Hurricane Bar ist es genauso. Weil es kompletter ist. Und es ist von
heute. Wir sind jetzt hier. Die anderen sind Dinosaurier." Was
aber haben sie von ihren Idolen gelernt: "John Lennon hat nie
zurückgeblickt, und wir machen das auch nicht."
Mit
dem sinistren Timbre des jungen David Bowie intoniert Björn Dixgård
(der sich im Gesang mit Gustaf Norén abwechselt) etwa "Clean
room", einen der stärksten Titel des neuen Albums, der zugleich
den ambivalenten Abschied von Borlänge markiert - inzwischen
leben alle vier in Stockholm. "Man kann die Stadt zwar verlassen,
aber sie bleibt trotzdem immer ein Teil von dir," erzählen
sie. Eine Visitenkarte der druckvollen Energie ihres Sounds ist auch
"Down in the past", die erste Single-Auskopplung aus "Hurricane
Bar", das übrigens von Richard Rainey produziert wurde.
Carl-Johan: "Rainey kommt aus der House- und Danceszene, also
achtet er viel mehr auf die Beats, worüber wir uns vorher nie
Gedanken gemacht hatten. Aber das ist großartig. Er half uns,
für jeden Song das optimale Tempo zu finden."
Erneut
liegen die Veröffentlichungstermine in Schweden und Resteuropa
auseinander, wenn auch nur noch um wenige Monate. Die Plattenfirma
erklärt die verspätete Ankunft von Mando Diao außerhalb
Nordeuropas mit Auftritten in Japan und einer Clubtour durch die USA.
Die Band selbst hat dafür eine erfrischend selbstbewusste Erklärung:
"Die Briten hatten Angst um den Titel der bedeutendsten Musiknation
Europas. Natürlich können sie nicht zulassen, dass sie von
einer schwedischen Band überrannt werden." - Tatsächlich
scheint die Furcht der Briten berechtigt, und sie hat historische
Vorläufer. Schon den Erfolg der weitaus gefälligeren Schweden
von Abba vor dreißig Jahren hatte man auf der Insel lange Zeit
nicht Ernst genommen. Das Ergebnis ist bekannt: Heute zählt Abba
zu den erfolgreichsten Popbands überhaupt.
So
gesehen ist die zögerliche Haltung des internationalen Musikbusiness
fast schon ein Indiz für die "Gefahr", die von dieser
neuerlichen schwedischen Bedrohung für den Status des Empire
ausgeht.
©
Michael Frost, 10. Januar 2005