"Eindringlich".
Auf der Suche nach passenden Worten für die eigenartigen Kompositionen
der norwegischen Band The White Birch verharrt man schließlich
bei dieser Beschreibung: Eindringlich. Ein beharrlich hämmerndes
Piano unterlegt die hohe, sonore Stimme eines Mannes.
Der Gesang bei Sigur Rós drängt sich als Vergleich auf,
und dennoch: The White Birch ist anders. Ihre Lieder verharren in
der Stille, bauen nicht diese mächtige Dramatik auf, wie sie
von Sigur Rós in fast jedem Stück vorgeführt wird.
"Let me call you Donau", heißt es in "Donau Movies",
und weiter: "like the sea in the river that flows in me."
Entsprechend
rätselhaft bleibt auch der Grundton der Kompositionen und Arrangements.
Vom ersten bis zum letzten Ton bauen The White Birch eine düstere
Spannung auf, die einem nahenden Unwetter ähnlicht, das jedoch
mehr Ahnung als Gewissheit ist - es könnte ein Gewitter geben,
doch vielleicht bleibt man verschont.
Manchmal
blitzt ein Funken Hoffnung auch, doch was The White Birch selbst als
"catchy song" bezeichnen, nämlich das Stück "Beauty
King", gilt dem Durchschnittshörer noch immer als Trübsinn
in Reinkultur.
Leichte
Kost ist es also wahrlich nicht, die Ola Fløttum (Gesang, Gitarre,
Klavier), Hans Christian Almendingen (Schlagzeug, Percussions) und
Ulf Rodge (Bass) auf "Star is just a sun" präsentieren.
Und dennoch - besser: gerade deshalb - bleibt man an diesem Album
hängen. Es ist etwas in diesen Melodien und der von ihnen ausgebreiteten
Stimmung, das innehalten lässt. Denn was bei oberflächlichem
Hören kalt, schroff und abweisend erscheint, entpuppt sich nach
wiederholtem Hören als ungemein wärmend und einlullend -
auch dies eine Parallele zu den isländischen Kollegen von Sigur
Rós.
Da
die eigenartige Faszination dieser bizarren Soundkollagen letztlich
unerklärbar ist, scheint darin eine Komponente zu liegen, die
auf das Unbewusste abzielt. Vielleicht sollte man es wie folgt beschreiben:
In diesen Liedern kann die Seele spazieren gehen.
©
Michael Frost, 10.07.2003