Gut
Ding braucht Weil'. Man muss schon alte Weisheiten bemühen um
zu erklären, weshalb es - aller Globalisierung zum Trotz - manchmal
bis zu drei Jahre dauert, bis eine neue Band den Weg ins Ausland findet
- und sei es nur das Nachbarland.
Die
Wette gilt: Kämen Under Byen nicht aus einer dänischen,
sondern einer englischen oder schottischen Hafenstadt - Fotos dieser
Band zierten längst die Titelseiten der Musikgazetten. Wären
sie wenigstens Isländer, dann könnten sie sich auf Björk
und Sigur Rós berufen, wären vielleicht in ihrem Vorprogramm
aufgetreten und könnten die angesagtesten Regisseure für
Videoclips verpflichten.
Doch Under Byen kommen nicht von der bizarren Eisinsel im Nordatlantik,
sondern aus dem beschaulichen Dänemark. So zahlten sie vor einiger
Zeit einen hohen Preis für die Weigerung, ihre Songs ins Englische
zu übersetzen: Kurzerhand ließ ein britisches Label den
ausgehandelten Vertrag platzen (s. Interview mit Thorbjørn
Krogshede).
Und
so ging die Zeit ins Land. Das neue Label "Haldern Pop"
veröffentlichte immerhin schon eine EP mit einem Livemitschnitt
vom gleichnamigen Festival, doch zur internationalen Veröffentlichung
der beiden bisherigen Studioalben fand sich niemand bereit - bis jetzt.
Dem
Independent-Label SPV ist es zu verdanken, dass Under Byens zweites
Werk, "Det er mig der holder træerne sammen" jetzt
in den deutschsprachigen Ländern erscheint. Parallel geht die
Gruppe auf Tour. Im Gepäck trägt sie die Erfahrung mehrerer
Jahre gemeinsamer Arbeit, das Gespür für zärtliche
bis bizarre Klangphantasien, märchenhafte Atmosphäre und
melancholische Tagträume.
Die
acht Musikerinnen und Musiker sind allesamt ungemein wandlungsfähig
und variieren ihren Sound zwischen minimalistischer Ballade und aufwallendem
Orchestersound. In diesen Phasen dreschen bis zu drei Bandmitglieder
auf Schlagzeug, Ölfässer und Percussions ein, während
singende Säge und Cello die Nerven zerreißen lassen, der
Bass dröhnt, Sängerin Henriette Sennenvaldt mit der Aura
einer Traumwandlerin den Blick in ihre verwunschene Welt freigibt
und schließlich nur noch das Piano festen Halt verspricht.
Andere
Lieder, so das fragile "Byen driver" (Die Stadt treibt),
verschwinden fast im Unhörbaren. An der Magie der Stimme Henriette
Sennenvaldts orientieren sich sämtliche Instrumente. Im Fall
von "Byen driver" ist es nur das Klavier, das zum leisen
Zwiegespräch mit dem Gesang anhebt - es ist der intimste Moment
dieses an Spannung überreichen Albums.
"Det
er mig der holder træerne sammen" - Ich bin es, der
die Bäume zusammenhält - in den Liedern von Under Byen
geht es, wie Keyboarder Thorbjørn Krogshede erklärt, vor
allem um Atmosphäre. Text, Sprache und Musik bilden dabei eine
untrennbare Einheit (daher auch die Weigerung der Übersetzung),
und so sind die Texte von der gleichen intensiven poetischen Ausdrucksweise
wie die Musik, ebenso versponnen, irrlichternd, undurchdringlich.
©
Michael Frost, 22. Februar 2005