"Wie
die Pet Shop Boys nach einem Autounfall" - so beschreiben der Däne
Piet Breinholm Bendtsen und der aus Deutschland stammende Sebastian
Büttrich ihre Musik, die sie als Duo mit dem schlichten Namen "Test"
auf dem Album "Milk in my Language" herausgebracht haben.
Nein.
Nach Autounfall klingt auf diesem Album eigentlich gar nichts. Dagegen
sprechen schon die weiteren Beteiligten - allesamt zur ersten Garde
der dänischen Electronica-Szene gehörend: Bendtsen und Büttrich
selbst, die schon vor dieser Kooperation reichlich Erfahrungen in
diversen dänischen Bands sammelten, dann Lise Westzynthius, die
als Gastsängerin an einigen Titeln beteiligt ist, außerdem
Produzent Nikolai Nørlund (Rhonda Harris) und der Soundtüftler
Thomas Knak (Opiate).
Sie
alle entwickelten ein über die Maßen erstaunliches Album,
leise und dezent, melancholisch und hintergründig, minimalistisch
und versponnen, atmosphärisch kühl und dennoch einfühlsam
und sympathisch. Also nicht wie die Pet Shop Boys nach einem Autounfall.
Aber vielleicht nach einem Computervirus, wie Test gegenüber
einer dänischen Journalistn sinnierten. Oder doch eher als Essenz
aus The Cure, Massive Attack und Kraftwerk, die Bendtsen als seine
musikalischen Helden benennt ?
Die
Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Die Anlehnung an Downbeat
und Drums&Bass ist jedenfalls unverkennbar. Der von Frauenstimmen
getragene Gesang erinnert an den typischen Sound der Triphop-Bands
aus Bristol (Portishead, Massive Attack). Der Einfluss von Thomas
Knak bestand, nimmt man seine bisherigen Projekte (Future 3, Opiate)
als Ausgangspunkt, vermutlich darin, den Gegenpol zu den härteren
akustischen Elementen zu bilden. Knak ist berühmt für seine
eigenartigen, sehr intimen digitalen Klangwelten, mit denen er auch
Björks Album "Vespertine" veredelte.
Tests
Album "Milk in my Language" ist momentan vielleicht das
herausragendste Beispiel für den Anschluss der dänischen
Independent-Szene an internationale Trends. In vielerlei Hinsicht
reicht das Album über diese Trends sogar noch hinaus.
Auf
jeden Fall beweist es das Potenzial der skandinavischen Independent-Szene
mit Nachdruck. "Die Renaissance der kleineren Labels ist sehr
interessant", befinden auch Test. "Die Musikindustrie ist
im Niedergang begriffen, weil die großen Plattenfirmen den Kontakt
zu ihrer eigenen Welt verloren haben. Man spricht zwar über die
Krise in der Musikbranche, aber wo - und bei wem - ist sie denn, die
Krise ?" Bei Gruppen wie Test jedenfalls nicht.
©
Michael Frost, 04.08.2003