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Die Strahlkraft der Stille


Der Einstieg könnte gewaltiger kaum sein. Während viele mit Lob überhäufte Debüttanten ihr zweites Werk aus Angst vor dem Scheitern lieber mit Vorsicht angehen, schickt Anna Ternheim ein Stockholmer Streicherensemble mit einem feierlichen Intro vorweg.

Das führt schon mal zu schwersten Irritationen. Denn "Somebody outside", das bezaubernde Debütalbum von 2004, bestach vor allem durch seine Stille, die reduzierte Instrumentenführung, das klassische Handwerk des "Songwriting" an der Nahtstelle zwischen Pop, Blues, Chanson und Jazz.

Doch "Girl laying down", nach dem Intro der erste wirkliche Song des neuen Albums "Separation road" hält den überraschenden Spannungsbogen und erweitert ihn noch. Ein Klavier im Pasodoble-Rhythmus, donnerndes Schlagzeug, Xylophon, E-Gitarre, schließlich ein Breitwandfoto aus Geigenklängen - und diese Stimme.

Ein Gesang, fast durchsichtig, so ungekünstelt, so unangestrengt und unverfälscht - die Stimme ist der Grund, weshalb Anna Ternheim vor drei Jahren so deutlich aus der an interessanten Interpreten nicht eben armen Musikszene Schwedens so deutlich herausstach.

Da macht es wenig, dass Anna Ternheim das Niveau nach dem unglaublich starken Einstieg nicht halten kann. Vielleicht macht es sich bemerkbar, dass sie die neuen Songs mehr nebenbei, zwischen Tourauftritten, Presseterminen und anderen Verpflichtungen einspielen musste - an den Songs für "Somebody outside" hatte sie immerhin elf Jahre gefeilt.

Und dennoch: Auch in den songs auf "Separation road" kann man sich verlieren. Etwa in "Lovers dream", bei dem Anna Ternheims Stimme mit einer singenden Säge flirtet und die mächtigen Geigen der "Stockholm Session Strings" nochmals im Cinemascope-Format erstrahlen. "Halfway to fivepoints" hingegen ist ein Beispiel für die Strahlkraft der Stille - mit aller Behutsamkeit entwickelt Anna Ternheim die klassische Ballade zu einem ganz besonders berührenden Moment - Schluss- und Höhepunkt, bei dem die Spannung des Intros wieder aufgenommen und der Bogen der "Separation road" geschlossen wird.

Die klare, schlichte Eleganz des Schlussstücks verweist zugleich auf ein besonderes Experiment, auf welches das nicht-schwedische Publikum allerdings - wie schon bei der Veröffentlichung von "Somebody outside" - erneut verzichten muss. In Schweden nämlich wurde "Separation road" in limitierter Auflage als Doppel-CD veröffentlicht. Auf der zweiten Disc gibt es die so genannten "naked versions" aller Album-Songs, ohne orchestrale Unterstützung mit alternativen Akustik-Arrangements. Hier darf man sich dann ganz der nordischen Schönheit dieser Gesangsstimme hingeben. Wenn es sie nicht schon gäbe, man hätte Anna Ternheim erfinden müssen.

© Michael Frost, 15.02.2007


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