Einen
kurzen Moment lang, zu Beginn ihres Eröffnungssongs "To be
gone", denkt man an Sinéad O'Connor. Doch schon im Verlauf
der ersten Strophe hört man: es ist eine andere Sängerin.
Ähnlich markant und kraftvoll wie die Irin, aber souveräner,
klarer und viel weniger pathetisch.
Anna
Ternheim heißt die junge Sängerin, deren Debüt-Album
"Somebody outside" seit der Veröffentlichung in Schweden
2004 mit Lob und Preisen geradezu überhäuft wurde. Und das,
obwohl ihr Album so scheinbar einfach, unprätenziös und
geradlinig erscheint, manchmal gar fast unauffällig.
Doch
gerade diese Zurückhaltung (in Wahrheit ist es Durchdachtheit)
ist es, die Aufmerksamkeit erregt. "Leave the body // leave
the mind" heißt es in "To be gone", und ähnlich
losgelöst und entrückt hat sie offenkundig die Arbeit an
der gesamten CD angepackt: Ohne Rücksicht auf Mode, Kommerzialität
oder andere, von außen an sie herangetragene Einflüsse:
Nur den eigenen Weg hatte sie vor Augen.
So
gelang ihr eine hinreißende Sammlung von zehn Songs zwischen
Folk, Popballaden und leisem Vocal-Jazz. Obwohl die Arrangements intim
und verhalten klingen, waren daran doch eine fünfköpfige
Band und weitere Gastmusiker beteiligt. Sie sorgen für den mal
robusten und erdigen, dann wieder leise verspielten Grundton, der
die Gratwanderung zwischen Mainstream und Charakter zugunsten von
Letzterem entscheidet. Anna Ternheims Musik ist eingängig und
melodiös, zeugt aber ebenso von individuellem Charakter, Tiefenschärfe,
ist bis ins Detail wohl überlegt und schwer auf ein einzelnes
Genre zu reduzieren.
Auch
die Jury des schwedischen Grammy mochten sich bislang noch nicht so
recht auf eine zu Anna Ternheim passende Kategorie festlegen lassen.
So verliehen sie ihr die verdiente Auszeichnung zunächst noch
in der unverfänglichen Kategorie als "Newcomer des Jahres",
und das ist sie allemal, vielleicht auch in diesem Jahr bei uns.
©
Michael Frost, 03.02.2006