Zu
den Zeiten der UdSSR wusste man im Westen nur wenig über die einzelnen
Regionen, aus denen sich das Riesenreich zusammen setzte. Man kannte
kaum die Namen der Teilstaaten, noch weniger ihre wichtigsten Städte,
und über die verschiedenen Kulturen erfuhr man schon gar nichts.
Das
macht bis heute die Schwierigkeiten bei der Identifizierung der jungen,
in Zentralasien gelegenen Staaten aus, und erst langsam wachsen Interesse
und Verständnis für die kulturellen Eigenarten von Ländern
wie Georgien, Kirgistan oder Usbekistan. Aus dem letztgenannten Land
stammt die zauberhafte Sängerin Sevara Nazarkhan. Sie spielt,
einer alten Tradition usbekischer Sängerinnen folgend, die zweisaitige
"Doutar", eine Verwandte der Laute, und sie singt mit der
Hingabe einer orientalischen Prinzessin.
"Sen"
("du") heißt ihr zweites Album, das bei Real World
erscheint. Label-Chef Peter Gabriel war von der Usbekin so angetan,
dass er sie 2003 auf seine "Growing Up"-Welttournee mitnahm.
Mit
ihrer Musik folgt Sevara Nazarkhan nach eigenem Bekunden dem Verlauf
der alten Seidenstraße von China Richtung Westen, nach Arabien,
von dort aber weiter nach Europa. Gesang und Melodien mögen vom
Orient geprägt sein, von den beschwörenden Harmonien Persiens
und Arabiens, der tranceartigen Meditationsmusik der Sufi - doch ebenso
nennt Sevara Nazarkhan Björk und Goldfrapp als ihre Vorbilder.
Die
Verbindung von Tradition und internationalen Einflüssen machte
sie in Usbekistan zu einer der einflussreichsten Musikerinnen. "Unsere
Jugend", sagt sie, "hört viel traditionelle Musik.
Damit wachsen sie auf." Sie selbst denke nicht mehr in den Kategorien
zwischen moderner und alter, westlicher oder zentralasiatischer Musik,
sondern genieße es einfach, mit verschiedenen Stilrichtungen
zu experimentieren.
Zur
Seite steht ihr dabei ein spannendes Ensemble usbekischer Musiker
- aber auch Europäer wie Martin Badder und Bruno Ellingham, die
mit Keyboard und Computer eine digitale Klangwelt erschaffen, die
Nazarkhans einschmeichelnde Melodien mit Beats und Samples unterlegen.
Kolleginnen wie Sheila Chandra, Natasha Atlas und Susheela Raman,
allesamt mit einer ähnlich elektrisierenden Mixtur aus Folklore,
Trance, Dance und Ambient erfolgreich, werden hier als Vorbilder erkennbar,
und Sevara Nazarkhan schließt mit "Sen" zu ihnen auf.
So
sind Länder wie Usbekistan inzwischen keine weißen Flecken
auf der Weltkarte mehr, dank ambitionierter Musikerinnen wie Severa
Narzarkhan verbindet man mit ihnen auch Gesichter und Stimmen.
©
Michael Frost, 10.11.2007