Schtimm
seien die "dunkle Seite" des New Acoustic Movement, schrieben
wir 2003 über das erste in Deutschland erschienene Album "Schtimm
plays Mrakoslav Vragosh". Das Album mit "Cover"-Versionen
eines imaginären russischen Komponisten bestach durch seine leise
Melancholie, gelegentlich aufkeimende Schwermut, aber auch durch manch
luftigen Easy Listening Sound.
Diese Komponenten lassen sich, allerdings deutlich verfeinert und
ausgereifter, auch auf dem neuen Album der norwegischen Band entdecken.
Es heißt "Featuring", was wohl bedeutet, dass man
davon ausgehen kann, dass hier einige Gastmusiker mit im Boot sind
- was freilich nur in dem Rahmen richtig ist, wie er auch für
andere Bands und ihre Alben gilt: Schtimm haben einfach nur einen
schrägen Humor, was ihre Albumtitel angeht.
Im August 2003, so erzählen Erling (Gesang, Gitarre, Bass), Kåre
(Tasten), Bjørg (Gesang, Percussion) und Peder (Schlagzeug),
habe man einen Haufen Zubehör auf ein Boot geladen, sich in die
Fjordlandschaft Norwegens zurückgezogen und die Basis für
das Album gelegt - abseits von Strom und laufendem Wasser, geschweige
denn von üblichen Studiobedingungen.
"Featuring" bedeutet deshalb auch: "Featuring Norway",
denn die Einsamkeit des Nordlandes hinterlässt, ebenso wie in
den Aufnahmen von Landsleuten wie Ai Phoenix, Flunk und The White
Birch, deutlich erkennbare Spuren und dürfte für die bezwingend
klare, frische und unverbrauchte Atmosphäre eine außerordentlich
wichtige Rolle spielen - auch wenn die eigentlichen Aufnahmen zum
Album erst später, u.a. in Oslo stattfanden.
Dort wurden auch zusätzliche Instrumente eingespielt. Die Trompete
sorgt für relaxte Jazz-Atmosphäre, Streicher unterstützen
die Leichtigkeit des Sounds, der Jugendchor der Domkirche von Bodø
setzt leise Akzente - und einen Kontrapunkt zu Hank, normalerweise
Sänger der norwegischen Headbanger-Band "Turbonegro",
der zwei Titel im Duett mit Schtimm-Sängerin Bjørg einspielte.
Damit nutzt er die Chance, das Image von Turbonegro als Horde wild
gewordener Wikinger zurecht zu rücken: Auf "Featuring"
kommt er in der Tradition des Düsterpops daher: Madrugada und
die Sisters of Mercy lassen grüßen.
Die übrigen Gäste sind rein virtueller Natur: Die Vielseitigkeit
von "Featuring" reicht von der bereits erwähnten skandinavischen
Independent-Szene über die frühen Easy-Listening-Alben der
Cardigans ("I am dead") bis zum exaltierten Sound einer
Kate Bush Kate Bush ("Untitled").
Dennoch ergibt sich aus der Gesamtheit der Sounds ein durchgängiges,
eigenständiges Muster: "Schtimm featuring Schtimm",
könnte man es treffend nennen, um die wachsende Bedeutung des
Quartetts aus Trondheim zu unterstreichen: Diese Band kann Großes
leisten.
©
Michael Frost, 12. Juni 2004