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Tristes Liedgut für den modernen Menschen ...


... versprechen die beiden Chansonniers Arnd Rühlmann (Gesang) und Jürgen Heimüller (Klavier) augenzwinkernd mit ihrem Album "Neurosenkavaliere", und sie bedienen sich dabei im besten Sinne der deutschen Chanson-Tradition vom Grammophon-Charme der Comedian Harmonists über Zarah Leander, Friedrich Hollaender bis zur zeitgenössischen Kleinkunstbühne.

Tragische und tragikomische Elemente liegen in den Titeln des Duos dicht beieinander und wechseln ohne Vorwarnung - so bei "Mitzi", einem Titel, der im Selbstmord endet, während bald darauf "Der Tantenmörder" zuschlägt ("Ich hab'meine Tante geschlachtet, meine Tante war alt und schwach ...").

Mit Humor, Esprit und schmachtender Stimme erzeugt Arnd Rühlmann Erinnerungen an die großen Chanson-Idole vergangener Jahrzehnte, auch manch pathetische Geste ist ihm dabei nicht fremd, während Jürgen Heimüller am Klavier die melodramatischen Elemente gekonnt verstärkt - Momente, die bei Live-Auftritten sicherlich nochmals intensiver und emphatischer wirken als auf der CD, aber "Neurosenkavaliere" bildet weit mehr als nur einen Vorgeschmack auf - hoffentlich zahlreiche - Auftritte.

Rühlmann und Heimüller sind klug genug, ein allzu tiefes Abgleiten in den Weltschmerz zu verhindern und halten ihre Lieder, bevor es wirklich trist wird, durch schwelgende Melodiebögen aus Tango, Blues oder Walzer knapp vor dem Abgrund zurück, flechten das eine oder andere überraschend-absurde Wortspiel ein ("Als Leiche hat man's viel leichter, man liegt einfach da und ist tot"), dann wieder erzählen sie nüchterne Alltagsgeschichten ("Ich stehe an der Straße") und sorgen ebenso charmant wie unberechenbar für so manche Gefühlswirrung des Publikums.

Das Album beginnt mit dem Stück "Alles von mir", einem temperamentvollen Tango mit hervorragender Akkordeon-, Bass- und Percussionbegleitung. Ähnlich unterhaltsame Arrangements hätte man sich auch bei dem einen oder anderen Albumtitel vorstellen können, aber auch in dieser Hinsicht sind die "Neurosenkavaliere" Rühlmann und Heimüller dem klassischen Chanson verpflichtet: Eine einsame Stimme mit Klavierbegleitung - maximale Wirkung durch minimalistische Arrangements. Und eigentlich liegen sie damit richtig.

Michael Frost, 29. Juni 2002

 

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