Kurz vor Jahresende erreicht uns noch eine der interessantesten Produktionen aus einem Genre, das mangels besserer Ideen als Weltmusik bezeichnet wird. Auf Beáta Palya trifft die Zuschreibung immerhin besser zu als auf viele andere ihrer Kollegen, denn ihr Ziel ist es erkennbar, die Welt - oder wenigstens einen großen Teil davon - in ihrer Musik abzubilden.
Dabei kommt die Ungarin zu ganz erstaunlichen Formen der Zusammenführung. Wo vorsichtige Gemüter und reaktionäre Politiker einen "Clash of culture" befürchten, produziert Beáta Palya musikalische Blüten in leuchtenden Farben: "Adieu les complexes" ist eine raffinierte Mixtur aus Puszta-Folklore, Balkanpop, Jazz und indischer wie persischer Musiklehre. Beáta Palya hat beides studiert und dort eine Tradition der Vokalkunst schätzen gelernt, die letztlich auch in der Improvisation im Jazz eine Entsprechung findet.
Aus den verschiedenen Strängen ihrer Musik webt Beáta Palya einen kunstvollen Klangteppich. "Adieu les complexes" setzt damit einen Weg fort, den sie mit ihren drei bisherigen Alben, zuletzt mit "Psyché" (2006) , eingeleitet hatte: Musik erscheint bei ihr als Akt der Befreiung, wobei die Kunst darin besteht, künstlerische Unabhängigkeit zu gewinnen und doch verwurzelt zu sein. So verleugnet sie ihre Herkunft nicht, sondern spinnt ein umfängliches Netz, assoziativ, meditativ und berührend.
In Ungarn wurde Beáta Palya für ihr voriges Album mit dem "Aphelandra Award" ausgezeichnet, einem Preis für humanistische und/oder kulturelle Verdienste. Die Jury hat das Potential ihrer Musik folglich erkannt. Und mit "Adieu les complexes" wird Beáta Palya ihren Wirkungsgrad nochmals erweitern können. Sang sie bislang nur Ungarisch, was aufgrund des geringen Verbreitungsgrads dieser Sprache den assoziativen Charakter ihrer Musik nur noch verstärkte, geht es ihr nunmehr um die Konkretion: Erstmals singt sie auch Englisch und Französisch.
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Michael Frost, 29.11.2008