.

 

 

Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Noch einmal Volldampf


In den 80er Jahren gelangte Robert Palmer zu unverhoffter Berühmtheit. Er, der seine Karriere mit Blues, R&B und Reggae begonnen hatte, experimentierte damals mit Unterstützung von Gary Numan, Chris Frantz (Talking Heads) und Duran Duran mit dem aufkeimenden Synthiepop und wurde zum Charttopper, dessen Poster viele Jugendzimmer zierten.

Seine Alben "Clues" (1980), "Pride (1983) und "Riptide" (1985) machten ihn zu einem der ersten MTV-Stars. Stets im eleganten Anzug-Outfit, galt er als einer der bestangezogenen Rockmusiker überhaupt, doch auch seine musikalischen Erfolge konnten sich sehen lassen. Aber Palmer wollte ganz offenkundig nicht den sicheren Weg gehen. Schon auf "Riptide" dominierten wieder die Gitarren - Palmer nahm mit dem Album das Ende der New Wave-Ära vorweg und kehrte zu seinen Wurzeln zurück.

Seitdem sind seine Beats wieder akustischer Herkunft. So auch auf "Drive". Das soeben veröffentlichte Album wird für alle, die nur den 80er-Jahre-Palmer kennen, eine riesige Überraschung sein - vielleicht aber auch eine Entdeckung. Warme, erdige Blues-Rhythmen beherrschen das Album vom ersten Moment an ("Mama talk to your daughter"), harmonisch eingefügte Ethnobeats beleben es ("Lucky"). Das Album ist insgesamt so vielseitig, dass man zwischendurch zum Booklet greift um festzustellen, ob das tatsächlich immer noch Robert Palmer ist, der dort in bester Harry Belafonte-Manier den Calypso-König gibt ("Stella").

Fast alle Kompositionen auf "Drive" sind sind Cover-Versionen. Von dem farbigen Blues-Sänger J.B. Lenoir (1929-1967) bis zum jungen Schweden Nikolaj Dunger ("Dr. Zhivago's Train") sammelte Palmer Blues- und R&B-Songs ein, darunter auch Evergreens wie "Hound Dog" und "Stupid Cupid", um sie gemeinsam mit Gitarrist Carl Carlton und einer Handvoll weiterer Musiker (Sohn James am Schlagzeug) in Szene zu setzen. Er habe mit fünfzig Songs begonnen, die er schließlich auf ein gutes Dutzend reduzierte - "auf der Grundlage der Texte", wie Palmer im Begleitheft zur CD erzählt.

"Drive" läuft auf Volldampf. Es ist ein kraftvolles Album, robust, kantig, unverwüstlich. Der Pop-"Dandy" von einst hat die Krawatte abgelegt, das Jacket über den Stuhl geworfen, die Ärmel hochgekrämpelt, eine Zigarette angezündet, den Blues in die Stimme gepackt und mit guten Freunden eine Jam-Session veranstaltet.

Die Stimmung ist so lebendig und echt, dass man sie mit Händen greifen kann. Umso unvorstellbarer, dass Robert Palmer keine weiteren Alben dieser Klasse machen wird. Er starb nur wenige Wochen vor der Deutschland-Veröffentlichung von "Drive" am 26. September 2003 in Paris an den Folgen eines Herzinfarkts, im Alter von nur 54 Jahren.

© Michael Frost, 21. Oktober 2003

Tipps zu ähnlichen CDs und Bands:

Nikolai Dunger

[Archiv] [Up]