Es
gibt eine bestimmte Art des Blues, der tatsächlich nur in den USA
entstehen kann. Beispielsweise in Kentucky, mitten im Land also, wo
die Weite endlos scheint, und die Metropolen beider Küsten mehr
eine Ahnung als Gewissheit sind. Die Menschen leben ihren eigenen Rhythmus
in der Abgeschiedenheit, und man muss schon tief in diese fremde Welt
eindringen um sie wirklich zu verstehen.
So
wie beispielsweise Nicolai Dunger. Als hätte er sein Lebtag nichts
anderes getan, hat das schwedische Multitalent (u.a. spielte er bereits
ein Album mit dem Jazz-Trio von Esbjörn Svensson ein) in Louisville/Kentucky
nach den Ursprüngen des Südstaatenblues gesucht und in Will
Oldham einen genialen Lehrmeister gefunden. Mit dessen Unterstützung
hat Nicolai Dunger praktisch im Handumdrehen sein mittlerweile neuntes
Album aufgenommen: "Tranquil Isolation", die zeitgemäße
Entsprechung eines Sounds mit langer Tradition.
Der
Titel ist natürlich Programm und erzählt bereits von der
entspannt-gelassenen Atmosphäre in der selbst gewählten
Verlassenheit tiefster US-amerikanischer Provinz, die dem Album deutlich
anzuhören ist.
Allein
schon der Eröffnungssong "Last Night I dreamt of Mississippi"
offenbart die - für alteuropäische Ohren - fremde Welt.
Die relaxte Blues-Atmosphäre wird hier in einem langen Instrumental-Intro
aufgebaut, gefühlvoll eingespielt und getragen von Will Oldham
(Gitarre, Piano), Paul Oldham (Bass), Peter Townsend (Schlagzeug),
Jesssica Billey (Geige) und Nicolai Dunger selbst (Gitarre, Piano).
Sein Gesang wirkt eindringlich, lebendig und authentisch, seine Stimme
trägt maßgeblich zur überzeugenden Atmosphäre
des Albums bei. Mit den äußerst sparsamen und zurückhaltenden
Arrangements unterstreicht Nicolai Dunger den traurigen Grundton,
in dem sich Einsamkeit und Sehnsucht, aber auch eine tiefe Gelassenheit
und existenzielle Gewissheit miteinander verbinden.
Dass
ausgerechnet ein junger Nordeuropäer sich aufmacht, diese zutiefst
amerikanische Musik für sich und die Welt neu zu entdecken, bleibt
eine Überraschung, die nur noch durch das Einfühlungsvermögen
und die außergewöhnliche Glaubwürdigkeit übertroffen
wird, die seiner Vision des Blues innewohnt.
©
Michael Frost, 25.03.2003