Bérangère
Palix lebt seit 1997 in Berlin. Aufgewachsen ist sie allerdings in Südfrankreich.
Dennoch, so ist zu lesen, habe sie ihre Leidenschaft für das französische
Chanson erst in Deutschland entdeckt. Das Leben geht manchmal seltsame
Wege.
Seither
jedenfalls hat Bérangère Palix das Chanson nicht mehr
losgelassen. Ausgerechnet in der Berliner Diaspora sorgt sie für
eine überraschende Chansonblüte: längst ist ihr Name
auf den zahlreichen Alternativ- und Kleinkunstbühnen der Stadt
etabliert, und mit ihrer ersten CD "Libellule" wagt sie
nun den Schritt über die Grenzen ihrer Wahlheimat hinaus.
Das
Album präsentiert Bérangère Palix mit klassischem
Chanson und eigenen Texten. Die meisten Kompositionen wurden von ihrem
Pianisten Jan Hofmann geschrieben. Neben ihm wird sie von Andreas
Krumwiede (Kontrabass) und Schlagzeuger Mirko Schurig begleitet. Mit
diesen glänzend aufgelegten Musikern hat Bérangère
Palix ihr Bühnenprogramm auf die CD übertragen, und man
bekommt unversehens Lust, die Interpretin und ihre Musiker einmal
live zu erleben. Denn das, so schrieb bereits die Berliner Morgenpost,
sei Palix' eigentliche Stärke: "mimisch, gestisch, wild
artikulierend inszeniert Bérangère Palix ihre Stücke".
Darauf
muss man beim Hören der CD zwangsläufig verzichten, allein:
es braucht nicht viel, sich das Ensemble etwa bei der furiosen Interpretation
ihres "Albtraums einer Sängerin" (Cauchemar de chanteuse)
vorzustellen. Dieses rasante Chanson ist nicht repräsentativ
für die übrigen Stücke des Albums, zeigt aber Bérangère
Palix' in der gesamten Breite ihrer stimmlichen Möglichkeiten.
Überwiegend
sind ihre Chansons fröhliche, leicht beschwingte Stücke,
in denen sie Latin, Jazz und klassische Balladen miteinander verbindet.
Humor beweist sie sowohl textlich als auch musikalisch. Boby Lapointes
"Ta Katie t'a quitté" präsentiert sie als Duett
mit Maultrommel (Dr.Nojoke), gefolgt von der Adaption eines Boris
Vian-Klassikers ("On n'est pas là pour se faire engueuler").
Dennoch
- es mag Geschmacksache sein, oder ein Hinweis auf die Vielseitigkeit
der Interpretin: der stärkste Song auf "Libellule"
ist vielleicht das Chanson "Exilés volontaires".
Begleitet von Marc Chaet (Geige) und Sergeij Sweschinsikij (Kontrabass)
entwickelt Bérangère Palix eine sentimentale, fast elegische
Ballade, in der sie wie selbstverständlich auch diese Facette
ihres Gesangs unter Beweis stellt.
Am
Ende verabschiedet sie sich mit einem experimentellen Kunststück
aus der Abteilung Vokalakrobatik, und der Gesamteindruck verfestigt
sich: "Libellule" ist die perfekte Visitenkarte einer Musikerin,
die einerseits jung, frisch und unkonventionell neue Wege beschreitet,
andererseits jedoch über ein ungewöhnlich hohes Maß
an Reife, Professionalität und Ausdruckskraft verfügt.
Dass
all dies in Berlin geschieht, spricht für die pulsierende Szene
der Stadt. Und natürlich für Bérangère Palix
und den festen Glauben an das eigene Können.
©
Michael Frost, 21.03.2005