Was
lässt sich über diese Band bloß noch sagen ? Es ist
einsam geworden um Oasis, sie sind die letzten der Britpopper, Mit-
und Gegenspieler von einst wie Radiohead oder Blur schafften längst
den Aufstieg in eine andere Liga, und mit ihrer beharrlichen Anlehnung
an die Musik der Beatles - manche nennen das auch unverfrorenes Abkupfern
- wirken die Brüder Gallagher und Gefolge zeitweise wie die Dinosaurier
kurz vor dem Einschlag des Meteoriten.
Schon
bei der Auseinandersetzung mit "Standing on the shoulder of giants"
wurde an dieser Stelle Björk zitiert, die dem Britpop im Allgemeinen
und Oasis im Besonderen das wenig schmeichelhaft gemeinte Prädikat
der "konservativen Musik" verliehen hatte. Oasis würden
die Titulierung wahrscheinlich als Kompliment begreifen, denn zur
innovativen Avantgarde wollte die Band überhaupt nie gehören:
Oasis läuteten einst die Rückkehr zum Beat der 60er Jahre
ein; zweifelhafter Schlachtruf: "Buy british !"
Doch
im Vergleich zum genannten Vorgänger legen sie mit "Heathen
Chemistry" noch eins drauf: Streckenweise erklingt "Heathen
chemistry" geradezu erz-konservativ, und getreu dem Adenauer-Motto
"Keine Experimente" gehen auch Oasis keinerlei Risiken ein:
"Um uns selbst komplett neu erfinden zu können, müssten
wir grundsätzlich gekünstelt oder unecht sein - und das
sind wir ganz einfach nicht", rechtfertigt Noel Gallagher achselzuckend
den unveränderten Band-Sound.
Manche
Sequenzen weisen auch auf "Heathen chemistry" eine geradezu
aufdringliche Beatles-Nähe auf und werfen die Frage auf, wo die
Hommage aufhört und das Plagiat beginnt: Ob "Force of nature",
"Songbird", "Little by little" oder "Born
on a different cloud" - vieles bei Oasis klingt wie schon mal
gehört.
Neu ist lediglich, dass die Band nicht nur John Lennon, sondern auch
sich selbst zitiert. "Wonderwall" und "Don't look back
in anger", schwingen in einigen Titeln mit, ohne jedoch auch
nur annähernd an deren magisches Potenzial heranreichen zu können.
Also:
Man kann und sollte Oasis die fortwährende Beatles-Imitation
vorwerfen, weil sie dieser Weg in eine musikalische Sackgasse geführt
hat, aus der die Band nun nicht mehr herausfindet. Stillstand ist
Rückschritt, und hauptsächlich deshalb werden ihre Platten
immer uninteressanter. Auch der stets medienwirksam inszenierte Bruderzwist
der Gallaghers (momentan wird der Akt "Versöhnung"
gegeben), erscheint nur noch als Plattitüde.
Dennoch:
Oasis sind und bleiben Kult. Fans bewundern ihren unbekümmerten
Drauflos-Rock, ihre "ehrliche" handgemachte Musik und lieben
Oasis gerade wegen der vielen Sixties-Anleihen, also aus dem gleichen
Grund, weshalb andere die Band kritisieren (s. oben).
So
sind die anstehenden Konzerte bereits ausverkauft, "und das,
ohne dass irgendjemand auch nur einen Ton unseres neuen Albums gehört
haben konnte", sagte Noel Gallagher vor der Album-Veröffentlichung,
und: "Wir hätten ja auch ein Reggae-Album machen können
!" Ja. Sie sollten mal darüber nachdenken.
Michael
Frost, 6. Juli 2002