Ach
Nordländer, ihr habt es besser! So mancher blickt dieser Tage neidvoll
Richtung Polarkreis, denn die nordischen Länder führen praktisch
jedes Ranking an: PISA-Sieger (Finnland, Schweden), traumhafte Arbeitslosenquote
(Dänemark), Rohstoffreichtum (Norwegen) und der Ehrgeiz, sich von
denselben unabhängig zu machen (Schweden). Und ganz nebenbei genießen
die Skandinavier das Leben: steigende Löhne sorgen für wachsenden
Konsum. Da bleibt viel Zeit für Kunst und Musik.
Hiervon
profitiert längst nicht mehr nur die Hochkultur (jüngstes
Beispiel: der pompöse Neubau der Kopenhagener Oper). An dieser
Stelle haben wir immer wieder junge Bands der quirligen Indie-Szene
der Nordländer vorgestellt, und deren Potenzial scheint längst
noch nicht ausgeschöpft.
Das
Hallenser Label Noisedeluxe hat sich nun auf eine ausgedehnte Rundreise
durch die Hauptstädte des Nordens begeben. Als Mitbringsel wird
nun eine CD mit siebzehn Titeln von Bands und Interpreten aus Dänemark,
Schweden, Finnland und Norwegen vorgestellt. Das übergeordnete
Thema der "Nordischen Kombination": "Popmusik, die
dich in drei Minuten rumkriegt, wenn sie will". Und sie will
tatsächlich.
Viel
erfahren wir über die einzelnen Acts nicht. Den Machern der Kompilation
geht es wohl eher um einen Gesamteindruck, und der entsteht trotz
einer Vielzahl unterschiedlicher Sounds zwischen harmlosen Mainstream,
fröhlichem Synthie-Beat (z.B. Regina aus Finnland), Indie (z.B.
Velour aus Dänemark), Britpop (Niccotkick aus Schweden), charmante
Balladen (Ephemera aus Norwegen) und 80er-Wave-Pop (The Legends aus
Schweden).
Gibt
es innerhalb dieser Vielfalt also ein gemeinsames Band, das nordische
Musik als solche erkennbar von anderen unterscheidet? Ohne weiteres
ist diese Frage nicht zu beantworten. Da fast ausschließlich
Englisch gesungen wird und die Orientierung an angloamerikanischen
Strömungen, aber auch am französischen Elektropop nicht
zu überhören ist, liegt die Antwort wohl etwas unterhalb
der Oberfläche: die 17 Tracks sind ohne großen Aufwand
produziert, schlicht und klar in ihrer Struktur, ohne überflüssige
Schnörkel, sondern einfach und geradeheraus, sie biedern sich
nicht an, aber sie provozieren auch nicht.
Gut
möglich, dass hiermit eine für die nordischen Länder
'typtische' Haltung beschrieben wird. Außerdem gut möglich:
dass diese erfrischende Kompilation zur Reihe ausgebaut wird, denn,
so die Verantwortlichen: "Nordische Kombination soll es so lange
geben, wie es umwerfende Popmusik aus Skandinavien gibt. Also eigentlich
ab jetzt für immer."
©
Michael Frost, 16.05.2006