Der
Grat zwischen großartigem Vocal Jazz und den vielfach als "Fahrstuhlmusik"
verschmähten Standards ist manchmal schmal. Das weiß auch
Silje Nergaard. Dennoch geht die Norwegerin das Wagnis ein.
Auf
"Darkness out of blue" vermeidet sie dabei gekonnt eine
endgültige Entscheidung für die eine oder andere Seite.
Statt dessen versucht sie es mit einer Mischung aus zartem Songwriting,
"elegantem Pop" (Pressetext), leisem Soul, Country-Folk,
lässigen Jazz-Harmonien und nordischer Klarheit; instrumental
wandelt sie nach Belieben zwischen einsamer Piano-Etude und großem
Orchester.
Eben
dieses Belieben werden ihr Jazz-Puristen wohl als Beliebigkeit auslegen.
Doch damit tun sie der Interpretin und ihren zwölf selbst komponierten
Stücken (die Texte schrieb der schottische Lyriker Mike McGurk)
unrecht, denn sie übersehen, dass hier eine Künstlerin zwischen
den Genres auf der Suche nach einer neuen, eigenen Ausdrucksform ist,
die eine Klammer zwischen traditionellem Vocal Jazz und aktuellen
Strömungen sein könnte.
Beispielhaft
dafür steht ein Song wie "Who goes there", den sie
gemeinsam mit dem in Frankreich lebenden Brasilianer Marcio Faraco
aufnahm. In dem Song treffen sich der helle, kristallklare und pathosfreie
Gesang von Silje Nergaard und klassische Orchesterharmonien mit der
samtweichen, melancholischen Stimme des Bossanova-Sängers und
seiner akustischen Gitarre. Es sind nur Nuancen, die die Ballade vom
Kitsch trennen, doch Silje Nergaard und ihr schwedischer Produzent
Pål Svenre wahren mit traumwandlerischer Sicherheit die Balance.
So
wird der traurig-schöne Song zu einem Höhepunkt des Albums,
zu einem weiteren das Gospel/Soul-inspirierte "How are you gonna
deal with this". Der temperamentvolle Song entlockt ihr weitere
Spielarten des Gesangs und stellt Vielseitigkeit, Stimmvolumen und
Rhythmusgefühl eindrucksvoll unter Beweis. Auf dem Grat bleibt
Silje Nergaard immer auf der richtigen Seite - das Wagnis hat sich
hörbar gelohnt.
©
Michael Frost, 27.04.2007