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          denn je kopiert die aktuelle Musikszene sich selbst. Kaum eine Neuerscheinung 
          kommt ohne Coverversionen aus, sowohl international als auch in der 
          heimischen Szene: Grönemeyer singt Trio, alle Welt singt Grönemeyer, 
          Echt singt Rio Reiser - und Nena ? 
          Nena singt sich selbst. Auf "Nena feat. Nena" covert sie ihre 
          eigenen Songs, mit denen sie Anfang der 80er Jahre nicht nur den Übergang 
          von der Neuen Deutschen Welle zum deutschsprachigen Pop einleitete, 
          sondern mit der englischen Version von "99 Luftballons" ("99 
          red balloons") sogar in den USA einen phänomenalen Chart-Erfolg 
          schaffte. 
          Das 
            alles ereignete sich nunmehr vor zwanzig Jahren. Mit Nena eroberte 
            eine neue, junge Generation die Szenerie - einschließlich ZDF-Hitparade 
            und versetzte der Schlagerbranche einen schweren Stoß, von dem 
            sie sich bis heute nicht mehr erholt hat. Die deutsche Musikszene, 
            so die Botschaft, suchte vielfältig und voller Kreativität 
            Anschluss an internationale Trends - mit Erfolg.
          Und 
            auch, wenn der Neuen Deutschen Welle selbst nur eine kurze Haltbarkeit 
            beschieden war, dann wirkt sie doch bis heute nach - nicht nur in 
            Bands wie 2raumwohnung, Paula, Mia oder Rosenstolz. 
          Nena 
            ist eine der wenigen von damals, die heute noch immer präsent 
            ist. Ihr Erfolg durchlebte dabei Höhen und Tiefen, doch aufgegeben 
            hat sie sich und ihre Musik nie. 
          Die 
            Plattenfirma verweist darauf, dass Nena als "einziger deutscher 
            weiblicher Musik-Superstar in diesem Herbst" ins Rampenlicht 
            tritt - und impliziert damit wohl, dass Nena in eine Reihe mit männlichen 
            Kollegen wie Westernhagen und Grönemeyer gehöre. 
          Doch 
            dieser Vergleich wirft Fragen auf. Denn "Nena feat. Nena" 
            präsentiert im Gegensatz zu den aktuellen Produktionen von Westernhagen 
            und Grönemeyer lediglich alten Wein in neuen Schläuchen: 
            Leider hat keines ihrer neueren Lieder den Weg auf das Geburtstagsalbum 
            gefunden. Und auch, wenn die alten Titel wie "99 Luftballons", 
            "Nur geträumt", "Leuchtturm" oder "Lass 
            mich dein Pirat sein" in ihren neuen, frischen und sehr rock-betonten 
            Fassungen durchaus zu überzeugen wissen, so zeigt die Auswahl 
            doch das Problem auf, dass Nena auch zwanzig Jahre nach ihrem Durchbruch 
            noch immer mit den selben Titeln identifiziert wird.
          Das 
            allerdings ist nicht nur ihre Schuld. Noch immer gibt es in der deutschen 
            Popmusik ein tiefes Misstrauen gegen eigene Produktionen, vermeintlich 
            banale Texte und harmlose Melodien - während weitaus banalere 
            Produktionen aus dem In- und Ausland unverdient zu Bestsellern werden, 
            bloß weil sie auf Englisch vorgetragen werden.
          "Nena 
            feat. Nena" ist deshalb eine zweite Chance - vor allem für 
            das Publikum - eine markante deutschsprachige Rock-Röhre zu entdecken 
            und zu würdigen. 
          Da 
            wirkt es auch verzeihlich, frühere Weggefährtinnen wie Kim 
            Wilde (!) als Duettpartner zu beteiligen, und auch Nenas zeitlich 
            gut kalkuliertes Bekenntnis ihrer Affäre mit Udo Lindenberg verbucht 
            man nachsichtig als Marketingtrick angesichts des gemeinsamen Duetts 
            auf dem Album - doch nun ist der Vergangenheitsbewältigung Genüge 
            getan. Nach diesem Album wird Nena endgültig beweisen müssen, 
            ob sie auch in der aktuellen Szene noch einen eigenen Standort hat 
            - ein weiteres Revival wird es nicht geben.
          © 
            Michael Frost, 16.11.2002