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Der Geschichtenerzähler


"Hail to freedom" - so lauten die ersten Worte Youssou N'Dours auf seinem neuen Album "Rokku mi rokka" (Geben und Nehmen). Ein schöner Albumtitel, der viel über den Inhalt des Albums und die Geisteshaltung seines Autoren verrät, und ein ebenso berührender Beginn für einen Reigen von elf Liedern, der mit dieser Ode an die Freiheit beginnt und dem Stück "Wake up (It's Africa calling!)" - Wacht auf (Arika ruft euch) - endet.

Die Adressaten von "Geben und Nehmen" sind klar. Youssou N'Dour ist einer der ganz wenigen afrikanischen Stars, der Aufnahme in die Glamourwelt der Popmusik fand, und so richtet er seine Botschaft längst nicht mehr nur an die Menschen in seiner Heimat, dem Senegal, sondern beharrlich auch an diejenigen, die Verantwortung tragen für Armut, Unrecht und Gewalt auf dem ‚schwarzen' Kontinent: die Industriestaaten auf der nördlichen Halbkugel der Erde.

Bei allem politischen Engagement hat Youssou N'Dour nie aufgehört, dieses mit der Musik zu verbinden, bzw. seine Forderungen durch sie zu transportieren, und die Notwendigkeit, sich gegen Ignoranz, Unverständnis und Unkenntnis zur Wehr zu setzen, besteht tatsächlich immer noch, trotz aller Kampagnen für Schuldenerlass, fairen Welthandel und Schutz vor Epidemien.

Dabei muss er noch immer so manch fatales Klischee in Kauf nehmen und immer wieder die Rolle einnehmen, die ihm das Marketing in der westlichen Welt zuteilt. So war über sein voriges Album "Nothing in vain" zu lesen, es sei "genau das Richtige, wenn gute Freunde zum gepflegten Essen kommen, der Rotwein ein Volltreffer ist und der Soundtrack zu diesem Event auch etwas Besonderes sein soll" (laut.de) - mehr als zynisch angesichts der deutlichen Songtexte, die immer wieder von Krieg, Ausbeutung, Armut und Hunger handelten.

"Rokku mi rokka" ist geeignet, das Verständnis für N'Dours Heimat weiter zu vertiefen. Nicht weil er wiederum die Missstände anprangert. Auch entwickelt er keinen Forderungskatalog zur Beseitigung der Probleme, sondern er übernimmt die Rolle eines Geschichtenerzählers, der unser Wissen durch Berichte über einzelne Menschen, ihre Eigenheiten, Orte und Begebenheiten zu erweitern sucht, wie in "Pullo Ardo", einem Lied über einen Angehörigen der "Peul", der dem traditionellen Lebensstil seines Volkes bewusst verbunden blieb, obwohl er längst von der modernen Welt umgeben war.

Youssou N'Dour ist voll von solchen Geschichten, und er erzählt sie mit Hingabe, Poesie und Einfühlungsvermögen. Darin gleicht er der von ihm beschriebenen "Bàjjan", die in der Familie die Aufgabe innehat, ihre Geschichten zu sammeln und an die nächste Generation weiterzugeben um so die Erhaltung der Tradition sicher zu stellen.

Musikalisch bleibt er der Wanderer zwischen den Welten, als den man ihn kennen lernte, als er an der Seite Peter Gabriels zum Weltstar wurde. "Es ist etwas verrückt", sagt er, "die Afrikaner lieben den Sound moderner Keyboards und anderer Instrumente, aber der Rest der Welt möchte traditionelle afrikanische Instrumente hören." Also versucht er sich erneut erfolgreich in dem Kunststück, beide - und weitere - Elemente miteinander zu verknüpfen. Mutig erweitert er seinen musikalischen Horizont um arabische Elemente (in Anlehnung an sein gefeiertes Album "Egypt"), Blues, Reggae und Latin - und versucht sich schließlich sogar an Drums&Bass.

Und hierzu gesellt sich dann auch keine Geringere als Neneh Cherry (mit ihrem aktuellen Band-Projekt cirKus), mit der er schon in den 90er Jahren einen unvergesslichen Welthit landete: "7 seconds". Ihr neues Duett "Wake up (Africa calling)" ist keine Neuauflage des Popsongs, sondern ein afrikanischer Song, den sie mit dumpfen Beats und Bass unterlegen, ein ausdrucksstarker, kraftvoller und vor erwachtem Selbstbewusstsein strotzender Song, zu dem es sich sowohl dies- als auch jenseits des Äquators großartig tanzen lässt. Doch am Ende der Party, daran lassen N'Dour und Cherry keinen Zweifel, müssen Freiheit und Gleichheit stehen:

"Stop whatever you were doing // I'm here today and tomorrow // and you better believe // that every day will be relived"

© Michael Frost, 25. November 2007


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