Mísias
Beharrlichkeit ist es zu verdanken, dass der Fado auch außerhalb
Portugals zu neuem Ruhm gelangen konnte. Sie hat es geschafft, diese
eigenartige sentimentale Musik vom Rande Europas, in der meist von
Wehmut, Sehnsucht, Leidenschaft und unerwiderter Liebe, zusammengefasst
"Saudade" die Rede ist, mitten in die Konzertsäle der
Metropolen dies- und jenseits des Atlantiks zu katapultieren.
Den
Weg, den Madredeus mit ihrer Darstellung klassischer und zeitgenössischer
portugiesischer Folklore ebneten, setzt Mísia mit ihrer intellektuellen
Variante des Fado fort.
Für
"Peixões diagonais" (Diagonale Leidenschaften) bediente
sie sich erneut des reichhaltigen künstlerischen Repertoires
ihrer Heimat. Mit "Ainda que" (Obgleich) verarbeitete sie
wiederum einen Gedicht-Text, diesmal aus der Feder von Carlos Drummond
de Andrade, und mit "Par rêve" intoniert sie außerdem
noch einen Text von Fernando Pessoa, dem wohl größten portugiesischen
Dichter überhaupt, auf Französisch:
"Si
vous m'aimez un peu ? Par rêve, non par amour ... - Quand le
rêve est beau, le jour même sourit ..." ("Wenn
ihr mich ein wenig liebtet ? Im Traum, nicht aus Liebe ... Ein schöner
Traum lässt selbst den Tag uns lächeln ...")
Die
Verarbeitung solch bedeutender literarischer Vorlagen macht einen
Teil der besonderen Faszination Mísias aus. Mit ruhigem, dunklen
Timbre adaptiert sie die Texte und verschmilzt mit ihnen. Nie klingt
sie oberflächlich oder gar kitschig. Und sie gewinnt dem Fado
immer noch genug Lebensfreude ab, um Peixões diagonais zu einer insgesamt
recht fröhlichen Platte werden zu lassen. Besonders gelungen
ist auch die von Maria João Pires am Klavier begleitete Version des
Titelliedes. Hier werden die klassischen Einflüsse des Fado erfahrbar.
Wer
jemals das Glück hatte, vom Flair Lissabons oder Portos verzaubert
zu werden, wird Mísias Musik verstehen und lieben.
AG
/ 1. November 2000