"Karneval
hat die Macht, kathartisches Gelächter gar den am schlimmsten
an Verstopfung Leidenden zu entlocken", konstatiert Frank London.
Das Gründungsmitglied der New Yorker Klezmer-Kapelle "The
Klezmatics" versammelte im Frühjahr 2005 eine zu allem entschlossene
Musikerschar um sich, um ein gutes Dutzend wilder Klezmer-Songs einzuspielen.
Verschwörerisches Motto des Unterfangens: "Carnival conspiracy".
Ziel: Universelles Gelächter.
"Gelächter,
das von Dogmatismus reinigt; von Faschismus und Pedanterie befreit,
von Furcht und Einschüchterung, von Didaktizismus, Naivität
und Illusion, von Eindeutigkeit, von Sentimentalität. Gelächter,
das die Allmächtige Ambivalente Ganzheit Unserer Existenz wiedererrichtet."
So
schreibt es Frank London im Begleittext zur CD. Gleichzeitig grenzt
er sich vom falschen Gelächter der Mächtigen ab: "Nicht
das Lachen à la 'Hehehe, wir haben die Wahlen gestohlen und
Milliarden gemacht, indem wir die Natur geplündert und einen
illegalen Krieg angezettelt haben", sagt er in unverhohlener
Anspielung auf die Politik der Bush-Regierung. London ordnet dem Gelächter
damit eine politische Dimension zu, die auch Literatur-Nobelpreisträger
Dario Fo gefallen würde: Es gebe kaum eine schärfere Waffe
der Machtlosen als den Humor, mit dem die Machenschaften der Herrscher
der Lächerlichkeit preisgegeben werden können.
So
betrachtet offenbart die "Carnival conspiracy" geradezu
subversives Potenzial: das falsche Gelächter der Mächtigen
wird entlarvt und als fratzenhafte Grimasse sichtbar.
Vierzig
Musiker aus acht Ländern wurden benötigt, um dem lauten
Gelächter des Volkes Klang und Stimme zu verleihen: Trompeter,
Klarinettisten, Posaunisten und Saxophonisten, Tuba- und Hornbläser,
Akkordeonisten, akustische und TexMex-Gitarren, Schlagzeuger, brasilianische
Percussionisten und jede Menge Sänger in unterschiedlichen Sprachen:
Jiddisch, Spanisch, Ukrainisch und hebräisches Askenasisch.
Ohne
jede Vorwahnung bricht der furiose Sound dieses umwerfenden Allstars-Orchesters
über seine Zuhörer hinein. Als hätten sich die Berliner
17 Hippies verzehnfacht, trommeln, blasen, singen und wirbeln die
Sänger und Instrumentalisten von Polka zum Walzer, von entfesselt
aufspielender Klezmer-Klarinette zur Mariachi-Gitarre, von brasilianischen
Trommeln zu betörendem Chorgesang.
"Vergesst
nicht", rufen Frank London und sein außer Rand und Band
geratener Spielmannszug ihren Zuhörern zu, "vergesst nicht,
eure Gesundheit tapfer zu vertrinken!" und sie schließen
mit einem aus anderen Zusammenhängen bekannten Trinkspruch: "Eigentum
ist Diebstahl! Up your bum!"
©
Michael Frost, 13.11.2005