Auf
den ersten Blick vermutet man hinter dem Boban Markovic Orkestar nur
eine weitere Gruppe Blech blasender Roma vom Balkan, Melodien und Rhythmen
von leidenschaftlichem Temperament, feuriger Energie und Lebendigkeit.
Tatsächlich weisen auch Boban und Marko Markovic diese Qualitäten
auf, und dennoch geht ihr Album "Boban i Marko" einen großen
Schritt weiter: Mutiger, experimenteller, überraschender und "nachhaltiger",
weil sie mit ihren ungewöhnlichen Harmonien, Arrangements und Tempiwechseln
im Ohr hängen bleibt.
Obwohl
die Stücke überwiegend auf tradtionellen Vorlagen beruhen,
wirken sie doch so gar nicht folkloristisch oder altmodisch. Die deutlich
erkennbaren Einflüsse aus Klezmer und Jazz bestimmen die Frische
des Sounds. Hier zahlt sich die ungewöhnliche Zusammenarbeit
Markovics mit Frank Londons (Klezmatics) Klezmer Brass Allstars aus.
London ist auch Arrangeur einiger Titel.
Boban
Markovic ist auch international ein gefragter Trompeter, seit man
durch seine Beteiligung am Soundtrack zu "Underground" (Regie:
Emir Kusturica) auf ihn aufmerksam wurde. Wie bei so vielen Roma hat
auch bei Markovic die Musik eine lange Familientradition. Bereits
sein Großvater war Trompeter, ebenso sein Vater, und auf "Boban
i Marko" präsentiert sich nun auch sein Sohn Marko, gerade
einmal fünfzehn Jahre alt, als hoffnungsvoller Nachwuchs-Solist.
Dass
Familientradition nicht unbedingt mit künstlerischer Stagnation
und dem Festhalten an überkommenen Ritualen einhergehen muss,
dafür liefern Vater und Sohn Markovic mit ihrem "Orkestar"
einen eindrucksvollen Beweis. Sogar eine brasilianische Samba hat
die serbische Kombo im Repertoire: "Sanja Samba". Globalisierung
in ihrer unterhaltsamsten Form.
©
Michael Frost, 01.11.2003