Etwas
trotzig wird man von Kent auch heute noch auf der "officiell
hemsida för sveriges största rockband" - der offiziellen
Homepage Schwedens größter Rockband" begrüßt
- doch die großen Tage liegen vielleicht schon hinter der Band.
Dabei hätte alles gut werden können. Mit ihrem Album "Hagnesta
Hill" landete das Quintett 2000 einen internationalen Achtungserfolg;
in Skandinavien waren sie sowieso längst Megastars. Das Album
war eigens mit englischen Texten neu aufgenommen worden (bis heute
sind Kent eine schwedischsprachige Band) und so für das internationale
Publikum kompatibel gemacht worden. Eigentlich überflüssig,
denn Schwedisch ist eine Sprache, in der sich durchaus melodiös
singen ließe.
Heute
müssen Kent mit einer Vielzahl anderer Bands um den Titel der
"größten Band" des Landes kämpfen. Mando
Diao und The Ark sind nur zwei der aktuellen Mitbewerber um den Titel,
doch gerade die schwedische Musikszene ist in den letzten Jahren geradezu
explodiert und bringt so viele Talente hervor, dass ihnen im Januar
auf dem wichtigen Eurosonic-Festival im niederländischen Groningen
ein eigener Schwerpunkt gewidmet werden soll.
Kent
haben von diesem neuerlichen Interessen bislang nicht profitieren
können. Trotz der großen Resonanz auf "Hagnesta Hill"
und zahllosen Auszeichnungen erschien schon das folgende Album "Vapen
& Ammunition" nur noch in Nordeuropa, ebenso wie später
"Du & Jag döden".
Mit
"Tilbakka till samtiden", in Schweden gerade mit Dreifach-Platin
ausgezeichnet, soll nun alles anders werden. "Zurück in
der Gegenwart" heißt der Titel des Albums übersetzt,
das Kent Ende letzten Jahres noch als Quintett einspielten (inzwischen
verließ Gitarrist Harri Mänty die Band). Erstmals also
versucht sich die Band mit schwedischsprachigen Texten auf dem internationalen
Markt - noch nicht einmal Abba haben sich das getraut. Doch die Zeit
scheint reif. Die Sprache fügt sich harmonisch in das Soundkonzept
ein, wird wie die Begleitinstrumente zum Bestandteil der Arrangements.
Joakim Berg ist sicherlich auch weiterhin kein Sänger von Atem
beraubender Wandlungsfähigkeit, doch sein Timbre ist souverän
und zuverlässig, wie ein erfahrener Kapitän in manchmal
rauer See behält er stets die Oberhand.
Musikalisch
machen Kent, was sie am besten können: Ihr Sound ist angenehm
zeitlos, manchmal allerdings auch zu glatt, um länger im Gedächtnis
zu bleiben. Hier wird ein Trend weder geprägt noch läuft
man einer aktuellen Strömung hinterher.
Man hört lediglich die Herkunft aus dem Wavepop der 80er Jahre,
man erkennt die Nähe zu Depeche Mode, zu OMD, auch zu den norwegischen
Nachbarn von A-ha.
Die
Gitarren haben sie zurückgedrängt, richtig laut wird "Tillbaka
till samtiden" zu keinem Zeitpunkt, eher liegt ein Grundton von
freundlicher Melancholie über dem Album. Diese Überraschungsarmut
kann man der Band ganz nach Geschmack vorwerfen oder auch zugute halten,
es gibt keine Ausreißer nach oben oder unten, es fehlen große
Ideen wie der epische "Whistle song" auf "Hagnesta
hill" oder fantastische Pop-Ideen wie "Kärleken vänter"
oder das "Duett" mit Titiyo (beide auf "Vapen &
Ammunition") - doch für das internationale Comeback bräuchte
man wohl den einen, wirklich großen Song, mit dem Kent
auch außerhalb Skandinaviens zu den "största rockbands"
aufschließen könnten.
©
Michael Frost, 25. November 2007
Hinweis:
"Tillbaka till samtiden" erscheint auch in einer limitierten
Version mit einem 120 Seiten starken Foto-Booklet.