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"Unmittelbare,
sinnliche Wirkung"

von Hans Happel

 

„Lay your sleeping head, my love/Human on my faithless arm“ singt Kristin Asbjornsen. Sie singt die Verse von W. H. Auden wie ein aus dem Blues geborenes langsames Wiegenlied. Sie singt mit heller, warmer, leicht angerauter Stimme. Sie singt so zurückgenommen, so vorsichtig, so intim, als wolle sie die Zerbrechlichkeit der Schöpfung, die diese Verse beschwören, nicht gefährden.

Der Norweger Tord Gustavsen, hoch geschätzt als minimalistischer Lyriker des Jazz-Pianos, hat nach drei Trio-Alben (siehe CD-Kritik: "BEING THERE") sein Ensemble erneuert und erweitert: Die Sängerin Kristin Asbjørnson und der Saxophonist Tore Brunborg (Tenor und Sopran) ergänzen die klassische Formation, in der Mats Eilertsen erstmalig den Kontrabass-Part übernimmt und Jarle Vespestad weiterhin an den Drums sitzt.

Im ersten Titel „The Child Within“ – wie alle anderen von Gustavsen komponiert – beschwört das Saxophon in einer äußerst diskret gespielten, extrem einfach gehaltenen Melodie jene Einsamkeit, die kaum ein anderer Komponist so verstörend schmerzhaft in Töne setzen kann.

Es ist die menschliche Stimme, es sind die Worte von Auden und der Gesang von Kristin Asbjørnsen, die den Charakter der Musik ändern: „Lay Your Sleeping Head, My Love“ ist die Titelzeile des Gedichts, das Gustavsen zusammen mit drei weiteren Texten aus der 1940 veröffentlichten Sammlung „Another Time“ ausgewählt hat. Wie wichtig ihm diese Texte sind, zeigt nicht nur der Titel des Albums an – „Restored, Returned“ zitiert ebenfalls Auden -, sondern auch der Abdruck aller verwendeten Gedichte im unentbehrlichen Booklet, ohne den der unmittelbare Zusammenhang zwischen Musik und Wort verloren ginge.

„Restored! Returned!“ klingt bei Kristin Asbjørnsen wie ein Trost- oder Erlösungsruf. Auden beschwört eine fragile, gefährdete Existenz, er besingt eine Heimat von Schiffbrüchigen und eine Liebe, deren innige Kraft nur an unmöglicher Naturgewalt scheitern könnte. In Gospeltonfall der Sängerin wirken Audens geheimnisvolle Naturbilder und die darin eingewobenen Gefühle der Liebenden wie unter einen besonderen Schutz gestellt. Unter den Schutz einer größeren Freiheit und Leichtigkeit, unter den Schutz leicht groovender Rhythmen.

Sie klingen, als wollten sie die Traurigkeit eines anderen Wiegenlieds dieses Albums zurücknehmen. „Left Over Lullaby“ heißt ein Stück, das in dreifacher Variation erscheint, in unterschiedlichen Klangfarben, aber immer mischt sich unter die Instrumente die menschliche Stimme und in einem der schönsten Lieder des Albums verschmilzt dieses Wiegenlied mit dem unmittelbar anschließenden Song „O Stand, Stand At The Window“.

In der Musik von Gustavsen bieten Audens Worte überraschend Halt: Sie enthalten jenen Trost, der aus der Kraft der Bilder kommt, die nicht einfach musikalisch illustriert werden, sondern in ihrer Rätselhaftigkeit, in ihrem Geheimnis so fremd belassen werden, wie es ihnen zukommt: Diese leise, klare, zurückgenommene, schmerzhaft schöne und in ihren Wiederholungsmustern wie ein Mantra klingende Musik löst nichts auf, sie trägt die Vieldeutigkeit weiter und darin erweitert sie den Raum der Worte, was zur größten Kunst des Lied-Komponisten gehört.

Tord Gustavsen sagt: „Was mich sofort ansprach, als ich Audens Gedichte kennen lernte, war ihre Verbindung von Klarheit und Geheimnis. Ich möchte, dass sich die Lyrik in Verbindung mit Musik sofort erschließt, sie soll eine unmittelbare, sinnliche Wirkung haben und zugleich zum nochmaligen Lesen, Nachdenken und Nachhorchen einladen.“
Tord Gustavsens neues Album „Restored, Returned“ ist eine herausfordernd intensive Einladung.

Videolink: Tord Gustavsen Ensemble live / youtube

© Hans Happel, 20. Februar 2010

 


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