Macy
Gray - soviel darf man sagen, ohne ihr zu nahe zu treten - ist vermutlich
nicht die Künstlerin, die den Anspruch erhebt, sich mit jedem Album
neu zu erfinden.
Ihr Markenzeichen ist raubeiniger Soulpop mit einer Prise Hiphop und
Funk, der zwar zum Mainstream gerechnet wird, dank ihres atemberaubenden
Gesangs aber weit - sehr weit - aus dem üblichen Durchschnitt herausragt.
Kratzbürstig,
chronisch heiser und leicht entflammbar ist das Volumen ihrer Stimme,
die ihre Entsprechung in der üblicherweise wild toupierten Haarpracht
und extravagantem Outfit findet: Macy Gray ist zweifellos ein der
charismatischsten Erscheinungen der Popwelt - eine der besten Sängerinnen
überhaupt
Gerade
deshalb wünschte man sich manchmal, sie würde mehr aus ihrer
Stimme herausholen. Denn auch "The Trouble of Being Myself",
inzwischen ihr drittes Album, gefällt sich im Stile seiner Vorgänger
"The ID" und "On How Life Is"; weder reichen die
neuen Songs deutlich über deren Niveau hinaus, noch fallen sie
spürbar dahinter zurück.
So
wartet man auf "The Trouble of Being Myself" lange auf den
einen herausragenden Moment, in dem Macy Gray zu wirklich großer
Form aufläuft. Er kommt erst gegen Ende des Albums mit dem Song
"Screamin'", in dem es dann endlich einmal laut, vernehmlich
und dissonant zur Sache geht, und zwar in jeder Beziehung: "All
of my troubles they go away when you're lying on top of me loving
me down, making sounds and it's so good I am screaming ..."
Trotz
des Gefühls, viele der Songs bereits zu kennen, weil sie sich
von ihren bisherigen Alben kaum unterscheiden, sollte man Macy Gray
auf keinen Fall unterschätzen. Die Texte - die sie im Unterschied
zur Mehrzahl der Kompositionen selber schreibt - sind eine genauere
Würdigung wert. "My Fondest Childhood Memories" beispielsweise:
Macy Gray erzählt darin in surrealen Bildern die Geschichte eines
Kindes, die ihren Babysitter tötet, weil die ein Verhältnis
mit dem Vater hat.
Man
mag bedauern, dass Macy Gray musikalisch nicht mutiger und experimentierfreudiger
ist und auch auf "The Trouble of Being Myself" hinter ihren
Möglichkeiten zurückbleibt. Songs wie "When I See You",
"She Don't write Songs About You" oder "Jesus For a
Day" sind eingängige Songs, mit deren Interpretation viele
Sängerinnen absolut ausgelastet wären - doch Macy Gray verkauft
sich damit unter Wert.
Das mag ungerecht und nach überzogenen Erwartungen klingen. Und
so muss um der Gerechtigkeit willen unterstrichen werden, dass "The
Trouble of Being Myself" selbstredend wieder einen starken Eindruck
hinterlässt, was zeigt, wie viel Kraft Macy Gray allein im kleinen
Finger hat. Was wäre das erst für ein Album, wenn sie einmal
mit der ganzen Faust auf den Tisch schlagen würde !
©
Michael Frost, 06. Mai 2003