Erstaunlich,
wie zahlreich und bemerkenswert mittlerweile die Versuche der deutschsprachigen
Musikszene sind, Anschluss an die internationale Electronik-Avantgarde
zu finden. Interessanterweise kommen dabei immer wieder gerade aus Österreich
die innovativsten Experimente.
Nach
ihrem 1998er Debüt ("Kairo") melden sich Martin Max
Offenhuber und Franz Adrian Wenzl alias "Gelée Royale"
mit ihrem Album "Diverse Vögel" in der illustren Runde
junger Newcomer und Soundtüftler zurück.
Die
Älteren unserer Leser werden sich noch an die Neue Deutsche Welle
erinnern. Gemeint ist nicht deren kommerzialisierter Abgesang, sondern
experimentell orientierte Bands wie Ideal, Fehlfarben, Grauzone usw.
An deren Idee einer modernen und dennoch deutschsprachigen Popmusik,
die den Mainstream verfremdet, ihn aber nie aus dem Blick verliert,
sich ansonsten aber der Auslotung neuer, ungewohnter und ungehörter
Sounds und Beats verpflichtet fühlt, knüpfen auch Gelée
Royale an.
Ihre
"Diversen Vögel" entpuppen sich in Wahrheit als äußerst
schräge Zeitgenossen, deren seltsame Geschichten (" Den
heutigen Tag verbrachte ich mit dem Betrachten von einzelnen Haaren
...") von nicht minder irritierenden Klanggebilden untermalt
oder durchkreuzt werden.
Das Album scheint kein durchgängiges Konzept zu verfolgen außer
dem, ein solches eben nicht zuzulassen, und folglich werden eingeführte
Stilelemente immer wieder radikal gebrochen, verändert und variiert,
weshalb kein Lied dem anderen gleicht.
Schon
der Opener "Schnee und kleine Diebe", der als morbid-minimalistische
Litanei beginnt, wird unvermittelt durch dröhende E-Gitarren
auf den Hardrock-Boden zurückgeholt. Gleiches geschieht mit dem
Titelsong "Diverse Vögel" und in ähnlichen Abwandlungen
ergeht es auch den anderen Stücken kaum besser, manchmal allerdings
sind die Übergänge sanfter und lassen Platz für Pop-Stücke
wie "Volvo" oder "Hinter der Tür" mit seinen
dem ambivalenten Text angemessen beänstigenden Arrangements.
So
ergibt sich Ton um Ton ein Gesamtbild, in dem es mal harmonisch, mal
melancholisch zugeht, dann wieder pfeift es und zischt, ächzt
es und rauscht, donnert und dröhnt, und am Ende geht alles unter
in einem furios-verrücktem Glockenspiel, das offenbar von dem
in den Wahnsinn treibenden Geklingel eines ganzen Fahrradladens unterstützt
wird; die sonderbare Komposition heißt dann "Pfingsten"
und provoziert nicht nur den Heiligen, sondern auch die eigenen Geister.
©
Michael Frost, 26. Januar 2002