Melodien
wie aus dem Tiefkühlfach - Aggie Frost Peterson und Per Martinsen
aus dem nordnorwegischen Tromsö, die ihr Duo schlicht "Frost"
betiteln, mögen es unterkühlt. Ihr Album "Melodica"
enthält entsprechend einige Pop-Perlen aus funkelndem Eiskristall.
Aggie
Frost Petersons leise, schöne Stimme schwebt engelsgleich über
einer Musik, die gleichsam als Vertonung arktischer Landschaften erscheint,
schrieb ein dänischer Kritiker über "Melodica".
Und tatsächlich evozieren die klar strukturierten, minimalistischen
Songstrukturen Bilder von frostigen Landschaften unter hohen Wolkenfeldern.
Kein Winkel, keine Ecke, hinter der man sich verbergen könnte.
Derart ungeschützt flüstert Aggie Frost Peterson ihre einfachen
Botschaften wie "She followed her heart because she loved him"
in den Vocoder, aber die scheinbare Naivität ihrer Texte korrespondiert
mit den schwerelosen Elektro-Arrangements aus Per Martinsens Computern.
Selbst
Jazz-Trompeter Nils Petter Molvaer, der im Instrumentaltitel "Klong"
einen Gastauftritt hat, wirkt vor dem digitalen Hintergrund, als schwebe
er weit oberhalb des gefrorenen Polareises, unberührt von der
spröden Kälte der ihn umgebenden Wirklichkeit.
Molvaers Beteiligung auf "Melodica" deutet eine stärkere
Verbindung zwischen den beiden aktuell wichtigsten Musikszenen Norwegens
an: Jazz und Electronica. In beiden Genres hat es in den vergangenen
Jahren bemerkenswerte Bewegungen gegeben, und tatsächlich liegt
in der Kooperation ihrer wichtigsten Vertreter vermutlich das wichtigste
Potenzial für ihre weitere Entwicklung.
Mit
dem Versuch, sowohl Jazz-Musiker wie Molvaer als auch Röyksopp,
die für "Melodica" einen Remix des Frost-Titels "Endless
Love" beisteuern, in ihre Vorstellung aktueller Elektropopmusik
einzubinden, lotet das Duo Frost die Grenzen und Möglichkeiten
der eigenen Entwicklung aus. Das ist die theoretische Seite ihrer
Musik. Ganz praktisch betrachtet ist Peterson & Martinsen einfach
ein berührend schönes, klares Stück Popmusik gelungen,
das als Entsprechung der Umwelt der Musiker funktioniert und für
ihre Arbeit gleichermaßen Inspirationsquelle und Projektionsfläche
ist.
©
Michael Frost, 16. Dezember 2003