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Tagträume


Es war der Schriftsteller Jan Kjærstad, der in seinem Roman "Der Verführer" lästerte, der Reichtum des Landes habe die Norweger träge und faul werden lassen, weshalb sie es im Gegensatz zu anderen Wohlstandsgesellschaften versäumt hätten, dem ökonomischen Fortschritt einen kulturellen Aufschwung folgen zu lassen.

Nun, Kjærstad kann sein Buch umschreiben. Die junge norwegische Musikszene gehört mittlerweile zu den innovativsten in Europa. Bedenkt man, dass Norwegen lediglich 4,5 Mio. Einwohner hat, scheint es manchmal, als habe eine ganze Generation zu Gitarre und Mikrofon - bzw. zum Computer gegriffen - wie eben auch Anja Øyen Vister ("Anji"), Jo Bakke und Ulph, genannt "Flunk", ein junges Trio, das für seine Soundlandschaften akustische und E-Gitarren mit Computerklängen kombiniert.

Durch die akustischen Elemente und die sphärischen Arrangements wirken Flunk leichter und fröhlicher als etwa ihre Kollegen von Slowpho oder Röyksopp, die am Computer generierten Grundstrukturen ihrer Songs jedoch weisen den Weg in die Zukunft jenseits gängiger Pop-Balladen. Und spätestens, wenn der Gesang von Anja Øyen Vister einsetzt, wird der Bezug zum Triphop, zur Elektro- und Chillout-Szene überdeutlich.

Man erliegt leicht der Versuchung, die eine skandinavische Sängerin mit anderen nordischen Musikerinnen zu vergleichen, aber Anjas Stimme hat tatsächlich einige Ähnlichkeit mit dem Gesang von Björk zu Zeiten der Sugarcubes: sphärisch, unwirklich, fremdartig, fesselnd und unter die Haut gehend.

Stimme und Instrumentierung ergänzen sich auf hervorragende Weise. "For Sleepyheads Only" ("Nur für Schlafmützen") ist ein Album wie aus einem Guss, die 12 Titel reihen sich naht- und bruchlos aneinander und tragen den Sound auf den sanften Wellen ihrer federleichten Arrangements voran. Ohne Zweifel steht für Flunk die atmosphärische Wirkung ihrer Musik im Vordergrund; sie geben keine Geschichten vor, sondern lassen die Wirkung in den Köpfen ihrer Zuhörer entstehen.

Und so tagträumt man sich durch die Flunk'schen Klanglandschaften, bis sich die Band schließlich mit einer kleinen Serenade verabschiedet: "Sleepyheads, time to go to bed."

© Michael Frost, 22. Juni 2002


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