Niemand
würde von Cesaria Evora erwarten, dass sie nach acht erfolgreichen
Alben ihren Stil neu erfände. Denn ihre Berühmtheit verdankt
sie ihrer hingebungsvollen Interpretation von "Mornas" und
"Coladeras", den Rhythmen ihrer kapverdischen Heimat, die
mittlerweile auf der ganzen Welt bekannt sind.
Dennoch
tut die zur Grande Dame der Weltmusik stilisierte Diva einiges, um
den Eindruck ständiger Wiederholungen zu vermeiden. So erreichte
"São Vicente di Longe", ihr bislang letztes Studioalbum
von 2001, einen bis dahin ungeahnten Aufwand, beschäftigte nahezu
sechzig Musiker in Brasilien, Kuba und Frankreich, darunter Größen
wie Arrangeur Jacques Morelenbaum, Caetano Veloso, Bonnie Riatt und
die inzwischen verstorbene Gesangs-Legende Compay Segundo (Buena Vista
Social Club).
Daneben
nimmt sich "Voz d'Amor", das neue Album der "barfüßigen
Diva", geradzu bescheiden aus. In scheinbar intimer Studioatmosphäre
knüpft die Evora mit ihren vierzehn neuen Titeln an die unprätenziöse
Eleganz ihrer frühen Alben an, an "Miss Perfumado"
oder "Cesaria", die CD, mit der sie zunächst in Frankreich,
später überall in Europa ihren Durchbruch erlebte. Zwar
sind auch an der Entstehung von "Voz d'Amor" wieder diverse
Gastmusiker beteiligt, doch deren Aufgabe muss vor allem darin gelegen
zu haben, möglichst unauffällig im Hintergrund zu bleiben,
um alle Aufmerksamkeit zurück auf den Gesang von Cesaria Evora
zu lenken.
Schon
das warme Timbre ihrer Stimme, das Einfühlungsvermögen,
mit dem sie ihren Gesang mit Melodien und Instrumenten verschmelzen
lässt, erzählen Geschichten voller Leidenschaft und bildlicher
Poesie. Die Sehnsucht ("Sodade") der Kapverdianer rückt
durch sie zum Greifen nah, das schwere Schicksal früherer Generationen
von Sklaven, die Armut, Abschied und Tod, das harte Los der Frauen
- aber auch Reichtum, Schönheit und Stärke der Natur - und
immer wieder: die Liebe, in all ihren Facetten hingebungsvoll besungen.
"Voz
d'amor", die "Stimme der Liebe", das ist vor allem
Cesaria Evora selbst. "Die Stimme der Liebe wird sich erheben",
textete Teofilo Chantre ihr auf den Leib, "ihr Schrei erfüllt
unsere Seele und das Herz der ganzen Welt".
©
Michael Frost, 27.09.2003