Körin
Ternovtzeff. Was für ein Name ! Doch so heißt die Künstlerin,
die sich hinter der Tarnung des italienischen Männernamens "Enzo",
den sie gleich zweimal benutzt, wirklich. Das Pseudonym im Doppelpack
ermöglicht ihr es, die Musik als Projekt eines Teams zu begreifen,
sagt Ternovtzeff, und umfasse so verstanden eben auch Texter, Komponisten,
Musiker und Techniker.
1981
begann die in der Umgebung von Paris lebende Tochter einer französischen
Mutter und eines osteuropäischen Vaters ihre Karriere als Bassistin
der Rock-Band "Lili Drop". Der Bass ist im Rockbusiness
fest in Männerhand - nicht die einzige Überraschung, die
Körin Ternovtzeff zu bieten hat.
Später
tauchte sie in die Pariser Pop- und Chanson-Szene ein, beteiligte
sich an Film-Musiken und konnte sich spätestens 1995 endgültig
etablieren, als sie mit «Juste quelquun de bien»
nicht nur den Preis für den besten Song, sondern auch als Sängerin
des Jahres entgegennehmen durfte. Seither sind alle ihre Platten in
Frankreich phänomenale Erfolge geworden, und die mysteriöse
Faszination ihrer Musik offenbart sich auch auf ihrem aktuellen Album
"Le jour d'à côté", einer Mischung aus
harmonischen chanson-, bossa- oder jazz-inspirierten Klängen
unterschiedlicher Herkunft, die Körin Ternovtzeff alias "Enzo
Enzo" mit dem hintergründigen Timbre ihrer sinnlichen Stimme
veredelt.
"Le
jour d'à côté" ist ein Motto, kein Chanson:
Enzo Enzo entflieht mit ihren Liedern dem Alltag, dem Hier und Jetzt
- und betrachtet den Alltag aus der Distanz, öffnet sich neuen
Ideen und Wegen, hinterfragt Gewohnheiten, verwirft sie und erschafft
neue. All das geschieht auf sehr unaufdringliche, stille Weise, "besonnen"
- um ein in letzter Zeit ziemlich strapaziertes Attribut zu benutzen,
sinnlich, humorvoll und entspannt.
Die
zurückhaltenden und überwiegend akustischen Arrangements
unterstreichen die warme Atmosphäre des Albums und seiner zwölf
Stücke, von denen allein fünf aus der Feder von Allain Leprest
stammen, der laut Körin Ternovtzeff "Texte verschenkt wie
andere Leute Blumen", ein weiterer Text ist von Kent, der in
Frankreich selbst schon eine Vielzahl erfolgreicher Alben veröffentlichte
(nicht zu verwechseln mit der schwedischen Rock-Band !).
"Le
jour d'à côté" ist ein herausragendes Beispiel
für die nach wie vor ungebrochene Ausstrahlungskraft des so typisch
französischen Genres "Chanson". Dass es immer wieder
neue Talente gibt, die den Gestaltungsraum dieser speziellen Musik
erweitern und beweisen, dass es den Chanson nicht nur in der rückwärts
gewandten 60er-Jahre-Betrachtung gibt, ist als Antwort auf das Zeitalter
des in der Retorte erzeugten Lolita-Pop wirklich sehr ermutigend und
bereichernd.
Michael
Frost, 15.12.2001