Ihre
Fangemeinde zählt zu den treuesten in der Popwelt. Sie hält ihren
Idolen seit zwanzig Jahren die Stange und hat sicher einen großen
Anteil daran, dass Dave Gahan, Martin Gore und Andrew Fletcher ihre
großen Lebenskrisen meistern konnten.
Seit
"Ultra" von 1997 und der im Jahr darauf veröffentlichten "Best of"-Compilation
mussten die Fans auf "Exciter", das neue Studio-Album des Trios warten
- und sie ließen sich das Ereignis auch nicht dadurch verderben, dass
es schon vorab - freilich ohne Zustimmung der Band - bei napster herunter
geladen werden konnte.
Nein,
der echte Depeche Mode-Fan lässt sich, so die in zahlreichen Online-Foren
immer wieder vertretene Ansicht, die Vorfreude auf den Eröffnungstag
nicht nehmen, den Gang in den Plattenladen, das Öffnen der Hülle und
das Einlegen der CD, das Blättern im Booklet, den Genuss der ersten
Töne: Pop ist mehr als Entertainment, ein Kulturgut nämlich, und als
solches will die Popmusik behandelt und zelebriert werden. Schön,
dass es diese Sicht noch gibt !
Nun:
Am 14. Mai ist es soweit, und dies vorweg: "Exciter" ist eine echte
Überraschung, unverkennbar Depeche Mode zwar, aber auch faszinierend
neu und frisch - man hört ihnen die zwanzigjährige Bandgeschichte
gar nicht an ...
Sie
sind die Synthie-Band von einst geblieben. Daran können auch die Streicher
in "When the body speaks" und die akustische Gitarre in "Dream on"
nicht rütteln. Auch dem Dark Wave sind sie treu geblieben, aber so
leicht und sinnlich klang der auch bei Depeche Mode noch nie.
Liegt
das am neuen Lebensgefühl von Gahan, Gore und Flechter ? Oder an Produzent
Mark Bell, der sein kreatives Potenzial schon durch seine Arbeit mit
Björks Alben "Homogenic" und "Selmasongs" bewies ?
Zum
künstlerischen Erfolg von "Exciter" haben alle vier beigetragen. Ohne
den alt-bewährten und einzigartigen Stil der Band zu verlassen, haben
sie ihn mit Mark Bell erweitert, sich dabei von aktuellen Entwicklungen
wie Radioheads "Kid A" inspirieren lassen, etwa in Bezug auf die Grundstimmung
des Albums, den Mut zu klanglichen und stimmlichen Experimenten, und
ihren eigenen Sound letztlich neu erfunden.
Die
bevorstehenden Live-Auftritte von Depeche Mode werden spannend. Vom
Stadionrock ist "Exciter" weiter entfernt als irgendeines der voran
gegangenen Alben. Auch zum Mitsingen geradezu herausfordernde Ohrwürmer
wie "Enjoy the silence" oder "Everything counts" gibt es auf "Exciter"
nicht. Dessen Qualität macht sich auf andere Weise nachhaltig bemerkbar:
Nicht
unbedingt Melodien, sondern vielmehr ein starker und fesselnder Eindruck
der Spannung und der Atmosphäre des Albums bleibt erhalten, auch nachdem
der letzte Ton schon längst verklungen ist.
MF
/ 12.05.01
Foto: Anton Corbijn, mute.de